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"Turbokreisel" mit 46 Ampeln "Turbokreisel" mit 46 Ampeln: Warum der Kreisverkehr am Weinbergcampus so schwierig war

Von Oliver Müller-Lorey 01.11.2019, 06:00
Jens Otto vom Fachbereich Planen vor Halles neuem „Turbo-Kreisel“. Jede der 46 Ampeln hat ihren Sinn, sagt er.
Jens Otto vom Fachbereich Planen vor Halles neuem „Turbo-Kreisel“. Jede der 46 Ampeln hat ihren Sinn, sagt er. silvio Kison

Halle (Saale) - Die Meisten würden die neuen Straßen und Ampeln am Weinbergcampus wohl für einen einfachen Kreisverkehr halten. Nicht so Gerd Blumenau, der an einem sonnigen Oktobervormittag an einer rot-weißen Bauabsperrung lehnt und auf den Platz blickt, so als habe er eine Modelleisenbahn vor sich. „Schauen Sie doch mal wie gut der Verkehr läuft, einfach fantastisch! Da muss doch keiner lange warten!“

Blumenau, bei den Stadtwerken für die Projektkommunikation zuständig, ist sichtlich aufgebracht, während er Halles neuen „Turbo-Kreisel“ betrachtet. Die Havag, eine Stadtwerketochter, hatte ihn gebaut und im September eröffnet. Doch schon gibt es Kritik von Auto- und Fahrradfahrern. An den zahlreichen Ampeln - 46 Stück sind es laut Blumenau - müssten sie zu lange warten, die Verkehrsführung sei zu kompliziert, die Signale würden wild von grün auf rot und wieder zurück springen.

„Der Kreisel funktioniert wunderbar und entspricht den gesetzlichen Anforderungen“

Blumenau kann diese Kritik nicht nachvollziehen. „Der Kreisel funktioniert wunderbar und entspricht den gesetzlichen Anforderungen. Ansonsten wäre er auch nie abgenommen worden“, sagt er. „Die Planung ist doch nicht an einem Samstagnachmittag bei Kaffee und Kuchen entstanden, weil wir Lust hatten, hier ein paar Ampeln aufzustellen! Trotzdem befinde ich mich seit der Eröffnung im Rechtfertigungsmodus.“

Dabei gibt es für die vielen Ampeln einen einfachen Grund, wie Jens Otto, Abteilungsleiter Verkehr im städtischen Fachbereich Planen erklärt. Sie sollen den Kreisel in viele kleine Abschnitte teilen und ihn somit flexibler machen. Demnach sind bei Ampeln sogenannte Räumzeiten zu beachten. Springt etwa eine Fußgängerampel auf Rot, soll sich eine Seniorin mit Rollator nicht im nächsten Augenblick auf den Bürgersteig flüchten müssen, sondern noch gefahrlos die Straße überqueren können. Dabei gilt: Je breiter das zu überquerende Stück, desto länger ist die Räumphase. Mit Ampeln unterteilte Abschnitte verkürzen diese Phase dabei.

„Aktuell muss man höchsten 13 Sekunden warten“

Dass man an ihnen lange anstehen muss, sieht Blumenau nicht so. „Aktuell muss man höchsten 13 Sekunden warten“, sagt er. Länger dauere es derzeit noch in der Walter-Hülse-Straße, weil es sich dabei um eine untergeordnete Straße handle. Noch seien aber auch die Induktionsschleifen, die reagieren wenn ein Auto darauf steht, und ein grünes Signal bei der Ampel anfordern, ausgeschaltet. Der gesamte Kreisel befinde sich noch im Probebetrieb, bei dem die Technik nicht vom tatsächlichen Verkehrsaufkommen beeinflusst werde.

„Aber ab Jahresende wird das System umgestellt und die Schleifen aktiviert. Dann kommen auch mehr Fahrer über die Walter-Hülse-Straße rüber“, sagt Otto, der nach den ersten Wochen sehr zufrieden mit dem Kreisel ist. „Bisher läuft der Probebetrieb sehr gut. Es sind die Effekte eingetreten, die wir auch in der Planung vorhergesagt haben. Wir haben deutlich geringere Wartezeiten für Verkehrsteilnehmer und der Verkehr läuft recht flüssig.“

Zwischen 18.000 und 20.000 Autos kann der „Turbokreisel“ am Tag verkraften

Zwischen 18.000 und 20.000 Autos kann der „Turbokreisel“ am Tag verkraften. Das Wort ist übrigens keine Schöpfung der halleschen Stadtwerke, sondern laut Otto durchaus in der Fachsprache

in Verwendung. Es bezeichnet Kreisverkehre mit mehreren Spuren, bei denen die Fahrer je nachdem wo sie sich beim Einfahren eingeordnet haben, an der richtigen Stelle wieder „ausgespuckt“ werden, ohne die Spur zu wechseln. Insofern ähnelt der „Turbokreisel“ am Gimritzer Damm stark dem Riebeckplatz

Gerd Blumenau hofft, dass sich die Hallenser an ihn gewöhnen werden und den Planern nicht weiter vorwerfen, sie hätten beim Bau nicht richtig nachgedacht. Wie zum Beweis holt er ein Blatt hervor, das alle unterirdischen Leitungen zeigt - dargestellt durch jeweils eine bunte Linie. Unter dem Kreisel laufen mehr als 100 Striche zusammen. So viele, dass ein Überblick unmöglich ist. Die ersten Pläne für den Kreisel stammen übrigens aus dem Jahr 1996, die konkrete Planung begann 2009. (mz)