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Trauer um Terroropfer Trauer um Terroropfer: Briefe einer Polizistin gehen nach Amerika

Von Kathrin Steinmetz 14.09.2001, 18:24

Halle/MZ. - Am vergangenen Montag meldete der Amerikaner William Macqueen bei der halleschen Polizei den Diebstahl seines Fahrrads. Eine Polizistin nahm die Anzeige entgegen. Als er sich von ihr verabschiedete, konnte er nicht ahnen, dass er die Beamtin in wenigen Tagen erneut sprechen würde - als Mittrauernde.

William Macqueen arbeitet seit drei Wochen am Opernhaus als Tänzer. Mehr durch Zufall, nämlich beim Umschalten auf der Suche nach dem US-Nachrichtensender CNN, erfuhr der 26-Jährige am Dienstag von dem Terroranschlag. Zuerst habe er vermutet, die Bilder seien eine Falschmeldung. Doch dann kam die Gewissheit. "Unbelievable" - unglaublich, war das einzige Wort, das ihm durch den Kopf ging.

Am Mittwoch dann das Überraschende. In seinem Briefkasten fand er einen Umschlag, in dem drei Briefe steckten. Die Polizistin übermittelte ihm darin ihre Anteilnahme und beschrieb, wie sehr sie das Geschehen bewegt. Außerdem bat sie ihn in dem Schreiben, die beiden anderen Briefe an das New Yorker Polizei- sowie Feuerwehrdepartment zu schicken. Eine "sehr berührende und schöne Geste", findet der Amerikaner. Er habe sie direkt angerufen und dabei gespürt, dass die Menschen um ihn herum genauso trauern wie er. Die Polizistin habe in den Zeilen den Mut und das Durchhaltevermögen der Helfer bewundert und bezweifelt, ob sie selbst hätte so handeln können. Noch in dieser Woche, versprach Macqueen, werde er die Briefe abschicken.

An die innere Unruhe in den ersten Stunden nach dem Angriff auf die USA kann sich der Künstler genau erinnern. Noch bis abends gegen zehn Uhr musste er proben. Sofort danach habe er an der nächsten Telefonzelle versucht, seine Familie und Freunde in Salt Lake City, der Hauptstadt des im Westen der USA gelegenen Bundesstaates Utah, zu erreichen. "Gott sei Dank geht es allen gut." Seine Mutter kenne Leute in New York und warte noch immer auf deren Rückruf.

Er selbst hat ein Jahr in der Metropole gelebt, erzählt der Tänzer. "Und da war meine größte Sorge, überfahren zu werden", sagt er kopfschüttelnd. Was in dieser Woche passiert ist, erschüttere sein Bild vom sicheren Amerika. Wenn er im kommenden Sommer zurückfliege, werde das Land wohl ein anderes sein. Voller Angst und massiver Sicherheitsbemühungen.

Der Tänzer lebt seit fünf Jahren in Deutschland. Mit 15 Jahren hatte William Macqueen zum ersten Mal Ballettunterricht genommen. Am Opernhaus tanzt er unter anderem im "Orpheus", dessen Premiere heute wie alle anderen Vorstellungen ausfällt und verschoben wird.