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Test einer Weltneuheit in Halle Test einer Weltneuheit in Halle: Damit sollen Blinde zukünftig richtig fahren

Von Katja Pausch 04.11.2019, 12:45
Per Handsender wird Blinden und Sehbehinderten wie Lars Lippek der Name der jeweiligen Straßenbahnlinie laut aufgesagt.
Per Handsender wird Blinden und Sehbehinderten wie Lars Lippek der Name der jeweiligen Straßenbahnlinie laut aufgesagt. Silvio Kison

Halle (Saale) - Lars Lippek steht an der Endhaltestelle der Straßenbahn in Kröllwitz und wartet. In der einen Hand hält der junge Mann einen kleinen Handsender, in der anderen seinen weißen Taststock. Für die Umstehenden ist er anhand des Stocks und einem Abzeichen als sehbehindert erkennbar - genauso wie viele andere Sehbehinderte und Blinde, die sich an diesem sonnigen Nachmittag an der Straßenbahnhaltestelle eingefunden haben, um die Einführung eines neuen Leit- und Orientierungssystems zu erleben. Das soll visuell eingeschränkten Menschen die Möglichkeit geben, sich besser im öffentlichen Nahverkehr zurecht zu finden.

Damit Blinde und Sehbehinderte wissen, welche Straßenbahn in die Haltestelle einfährt, kommt mit dem sogenannten Bios-System eine weltweite Neuerung zum Einsatz: Mittels eines Transponders oder auch mit einer App können sich Betroffene die jeweilige Straßenbahnlinie und deren Endhaltestelle ansagen lassen.

„Interessierte können sich eine entsprechende App herunterladen“

Entwickelt wurde das System, das im Beisein der künftigen Nutzer von Stadtwerke-Chef Matthias Lux und Havag-Vorstand Vinzenz Schwarz vorgestellt wird, von den Firmen RTB in Bad Lippspringe und Siemens in Zusammenarbeit mit mehreren Partnern, darunter die Stadt, das Berufsförderungswerk für Blinde und Sehbehinderte, der Blinden- und Sehbehindertenverband Sachsen-Anhalt sowie der Fahrgastbeirat der Havag.

Wie das System funktioniert, erklärt Vinzenz Schwarz: „Interessierte können sich eine entsprechende App herunterladen oder schalten den Handsender ein. Sobald eine Bahn in den Haltestellenbereich einfährt, wird über einen Außenlautsprecher der Bahn Linie und Ziel angesagt.“ Gleiches gelte für die Nutzung von Ampeln, die nachts ausgeschaltet würden. Dann aktiviere der Handsender oder die App die Ampel, damit Blinde und Sehbehinderte gefahrlos die Straße überqueren könnten.

„Die Ansage ist viel zu leise“

Beim Premierenstart der weltweit in dieser Form erstmals eingesetzten Technik gibt es, nachdem die erste Ansage aus dem Wagen der Linie 7 dringt, aber schon erste Kritik: „Die Ansage ist viel zu leise“, so Dolores Rehbein, die die Idee ansonsten aber sehr begrüße. An belebten Plätzen wie auf dem Riebeckplatz oder am Markt würde man die Ansage über den Wagenlautsprecher nicht verstehen, so die Mehrheit der Sehbehinderten. Dennoch, so Lars Lippek, biete die neue Technik mehr Selbstständigkeit.

„Ich fahre täglich mit der Bahn zur Arbeit und denke, dass sich das System bewähren wird“, so Lippek. An der Lautstärke der über Bluetooth übertragenen Ansage wolle man nun noch arbeiten, so Schwarz. Dabei werden auch Hinweise, die Nutzer bis zum Ende der Testphase im Dezember geben können, berücksichtigt. Derzeit sind drei hallesche Straßenbahnen der Linie 3 und 16 sowie die Ampel an der Kardinal-Albrecht-Straße mit dem neuen System ausgestattet. 2020 sollen dann sämtliche Bahnen mit dem BIOS-System ausgerüstet sein, so Schwarz. (mz)