Tassen Teller und Krüge Tassen Teller und Krüge: Töpferei in der Vereinsstraße hat zu Weihnachten viel zu tun

Halle (Saale) - Vereinsstraßen gibt es so einige in Deutschland. In Hamburg ist sie eine Wohnstraße im Stadtteil Altona, in Aachen eine schmucklose Piste hinter dem Hauptbahnhof und selbst Kleinstädte wie die 4000-Seelen-Gemeinde „Neukirchen an der Pleiße“ haben sie: eine Vereinsstraße. Doch keine Stadt hat gleich fünf davon - und dann auch noch so fein säuberlich nummeriert und angeordnet wie die Fäden eines Spinnennetzes. Das gibt es nur in Halle!
Töpferei in Vereinsstraße: Wohnung und Werkstatt sollten in einem Gebäude sein
Klar, dass eine der fünf Straßen bei der MZ nicht fehlen darf. In der II. Vereinsstraße - sie alle werden mit römischen Zahlen geschrieben - fällt der Laden von Christa Buchmann zwischen den Wohnhäusern sofort auf. Es ist eine Töpferei. In Regalen des Verkaufsraumes stapeln sich Butterdosen, Teller, Tassen, Kerzenleuchter und Krüge. In der Werkstatt der 71-Jährigen reihen sich Dosen mit Glasur, Kartons mit Ton, Werkzeuge, Maschinen und jede Menge Keramik aneinander.
Es ist warm in dem Raum, in dem alte Holzbohlen verlegt sind. Im oberen Teil des Hauses befinden sich die Wohnräume der Handwerkerin. Das war nicht immer so. „Zwischen 1982 und 1999 hatte ich meine Werkstatt in der Schwetschkestraße. Als ich dann umziehen musste, war es nicht so einfach, ein neues Haus zu finden. Denn Wohnung und Werkstatt sollten in einem Gebäude sein“, sagt sie.
Töpferei in der Vereinsstraße aus DDR-Zeiten
Über Bekannte erfuhren sie und ihr Mann, dass das Haus in der II. Vereinsstraße zum Verkauf stand. „Es war in einem sehr schlechten Zustand und ist äußerst einfach errichtet, aber mein Mann - er war Diplomschiffbauer und hatte goldene Hände - hat es renoviert.“ Fünf Jahre dauerte das. Es war eine Zeit, in der Glaucha von einem beliebten Studentenviertel wie heute weit entfernt war.
Nicht nur das Haus brachte ihr Mann, der inzwischen verstorben ist, in Schuss. Er baute Christa Buchmann auch ihren ersten Brennofen und ihre erste Töpferscheibe - Dinge, auf die Handwerker zu DDR-Zeiten jahrelang warten mussten. 41 Jahre waren die beiden verheiratet, und ein echt gutes Team, sagt die Witwe.
Herz schlägt für das Töpfern
Um die Weihnachtszeit herum hat sie besonders viel zu tun. Rechtzeitig vor der Adventszeit muss sie ihren Verkaufsraum auffüllen und Aufträge von Kunden entgegennehmen. Stammkunden seien dabei, aber auch Leute, die zum ersten Mal durch die Vereinsstraßen, in die inzwischen auch viele junge Familien gezogen seien, gehen. In ihrer Werkstatt töpfert die gebürtige Thüringerin hauptsächlich Gebrauchskeramik - und genießt es. Denn zu Ost-Zeiten musste sie zeitweise in einem fremden Beruf arbeiten: als Kindergartenhelferin.
Das habe ihr nicht gefallen, denn ihr Herz schlägt schon immer für das Töpfern. Dass sie ihren Traum auch noch in ihrem Wohnhaus leben kann und die Umgebung immer schöner werde, sei um so besser. Nur eine Frage hat Christa Buchmann nie richtig beantworten können: Wie kamen die Vereinsstraßen zu ihrem Namen? Gehört habe sie, dass früher viele Handwerker in den Häusern gelebt haben sollen. Aber was hat das mit Vereinen zu tun?
Von „Hallescher Sozialer Reform-Verein“ zur Genossenschaft zur Vereinsstraße
Eine Antwort darauf hat Ralf Jacob, der Leiter des Stadtarchivs. Im Jahr 1871 wurde im „Hofjäger“, der heutigen „Schorre“ das „Comité zur Abhülfe der Wohnungs-Calamität“ begründet. Bevor es sich in eine Genossenschaft wandelte, war es zwischenzeitlich als „Hallescher Sozialer Reform-Verein“ bekannt. Diesen Verein unterstützte der in Halle wohlbekannte Montanunternehmer Carl Adolph Riebeck finanziell.
„Es entstanden insgesamt 43 Häuser in den genannten Straßen. 94 Mietparteien konnten in drei verschiedenen Wohnungsgrößen versorgt werden“, weiß Jacob. Die Häuser wurden in den Jahren 1883 und 1884 gebaut. Bis dahin war das 5,5 Morgen, also gut drei Fußballfelder große Gelände eine Kirschplantage. (mz)