Talamtstraße 9 Talamtstraße 9: Schandfleck am Markt verschwindet

Halle (Saale)/MZ. - In den vergangenen Jahren verkauften Vietnamesen in den unteren Räumen Obst und Gemüse. Die oberen drei Geschosse des Hauses, das im Kern in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhundert entstand, waren schon lange nicht mehr bewohnt. Im Laufe der Jahrhunderte wurde es immer wieder um- und ausgebaut. Einer der ersten Besitzer war ein Schneider. Aber auch ein Pastetenbäcker, ein Steuereinnehmer, ein Fleischermeister und ein Barbier lebten dort. Eine Zeit lang gehörte das Haus der Mariengemeinde, so dass etliche Pfarrer in der Nummer 9 wohnten. Möglicherweise auch Wilhelm Friedemann Bach (der "Halle"-Bach), was aber nicht nachweisbar ist; sein Schwiegervater kaufte das Haus 1725. In den kleinen Häusern entlang der Bärgasse waren Handwerker wie Kürschner, Pechgießer, Gürtler und Fischhändler zu Hause.
Bernhard Dietrich von der "Baudesign und Projekt GmbH" als Generalunternehmer - Besitzer ist die Grundstücksgesellschaft Hannover -, ist froh, endlich loslegen zu können. Immerhin hatten sich die Verhandlungen mit dem Vorbesitzer über rund sechs Jahre hingezogen. Zudem sei die Nummer 9 ein aus der Sicht des Denkmalschutzes recht kompliziertes Gebäude: "Ohne Kompromisse ging es da nicht." Letztendlich sei es aber gelungen, mit der unteren Denkmalschutzbehörde und der Stadtplanung eine akzeptable Lösung zu finden.
Demnach wird das Kernhaus mit dem steilen Giebel, das für sein Alter noch ziemlich gut erhalten ist, für etwa drei Millionen Euro saniert. In einem der Eckzimmer, von dem man direkt zum Roten Turm blickt, gibt es zudem noch eine rund 300 Jahre alte Barock-Stuckdecke. Entstehen sollen 15 kleinre Wohnungen, die oberen erhalten Dachterrassen. "Unten richten wir ein Geschäft ein", so Dietrich.
Das Hauptproblem bei den Planungen sei das Treppenhaus gewesen: "Die alte Holztreppe war auch aus Brandschutzgründen nicht mehr zu erhalten." Deshalb werde die neue aus Stahlbeton gebaut und mit Holz belegt. Durch diesen Kompromiss entstehe eine originalgetreue Nachbildung. Schwierig werde es zudem, das Gefälle auf den Etagen auszugleichen. Nicht erhalten werden können die über 150 Jahre alten verputzten Fachwerkhäuser, die an der Bärgasse liegen. "Die sind so morsch, dass wir die Leute, die den Abriss vorbereiten, anseilen müssen", schildert Dietrich den Zustand. Die Lücke werde mit Neubauten geschlossen. Falls das alte Gemäuer nicht noch größere Überraschungen birgt, soll die Sanierung Ende des Jahres beendet sein. Dann wäre das gesamte Ensemble, zu dem das Marktschlösschen und der ehemalige Gasthof "Zum schwarzen Bären" gehören, komplett wieder hergerichtet.
Nach den Worten von Stadtplaner Jochem Lunebach verschwindet mit der Sanierung ein Schandfleck am Markt. Dies gebe Hoffnung, dass die Häuser Graseweg 1 und Große Klausstraße 3 im Sommer auch endlich in Angriff genommen werden. Schließlich sind sie nicht minder wertvoll wie die Talamtstraße 9, aber in schlechterem Zustand.
Bernhard Dietrich sieht das ähnlich, zumal für beide Gebäude Baugenehmigungen vorliegen. Nun gehe es noch um die Fördermittel. Baudesign saniert die Große Klausstraße 3 für den privaten Besitzer, einen Hallenser. "Und den Graseweg 1 will die Grundstücksgesellschaft Hannover einer Erbengemeinschaft abkaufen."