Stadtteil Landrain Stadtteil Landrain: Das grüne Paradies in Halle

Halle (Saale) - Es geht ganz schön bergauf geht es am Landrain - zumindest für muskelbetriebene Zweiräder. Keuchend erklimmt der nur mäßig trainierte Radler, sofern er von der Carl-Robert-Straße kommt, den Straßenzug, der einem ganzen Viertel den Namen gab: den Landrain eben.
Halle hat mehr als 60 Stadtteile, Viertel und Stadtquartiere. Wir stellen alle
vor: heute den Landrain.
Als Straße durchzieht der Landrain vom S-Bahn-Tunnel Bahnhof Zoo bis zum Mühlrain das Areal Landrain, das vom Galgenberg im Westen bis zum Gertraudenfriedhof im Osten reicht. Im Norden führt der Mispelweg vom Landrain in die Frohe Zukunft, im Süden begrenzen es die Gleise der S-Bahn-Linie und der Kleingartenverein Dessauer Straße.
Landrain ist das Paradies für Kleingärtner in Halle (Saale)
Kleingärten. Überall Kleingärten. Von denen gibt es am Landrain jede Menge. Ein aus der Vogelperspektive zeigt, dass sie sozusagen die Hauptfläche des Stadtviertels Landrain ausmachen. Am Galgenberg gibt es etliche, nördlich vom Gertraudenfriedhof ebenso, und auch Bergschenken- und Mispelweg führen gleich zu mehreren Anlagen.
Doch nicht allein diese Oasen und auch nicht der Galgenberg mit seinen Bäumen und Sträuchern machen den einst kahlen, als Ackerland genutzten Landrain, an dem ab 1920 emsig gebaut wurde, heute zu einem besonders grünen Stadtteil. Schon die Erbauer der Häuser am Landrain haben in den 50er und 60er Jahren an ein kultiviertes, erholsames Wohnumfeld gedacht: Zwischen den heute gern als „Altneubau“ bezeichneten Häusern mit drei oder mehr Eingängen, die in dieser Zeit gebaut wurden, gibt es überall viel Grün, wurde an den Eckgebäuden an kleine Läden gedacht, und zwischen den luftig und mit ausreichend Abstand errichteten „Blocks“ gibt es heute noch die „kommunale Wäschewiese“.
Was die hallesche Autorin Simone Trieder am Landrain liebt
Genau das liebt Simone Trieder an dieser Wohngegend. Die Autorin und Mit-Herausgeberin beim halleschen Hasen-Verlag wohnt seit sechs Jahren am Landrain und genießt dort vor allem die Ruhe. Und einen besonderen Blick: Von ihrem Balkon aus ist nämlich sogar der Petersberg zu sehen. „Unser kleiner Brocken“ nennt sie ihn liebevoll, und jeder, der bei der Schriftstellerin zu Gast ist, reißt sich um den Lieblingsplatz auf ihrem Balkon, um den Berg in der Ferne sehen zu können.
Doch einen Berg gibt es auch ganz in der Nähe: den Galgenberg. Der ist für Simone Trieder, die selbst viel über Halles Geschichte recherchiert und veröffentlicht hat, ein „ganz zauberhafter Ort“. Ein Ort voller Geschichte und Magie, aber auch, dank vieler fröhlich tobender Kinder auf dem weitläufigen Spielplatz, voll Lebendigkeit.
Gertraudenfriedhof im Landrain: Hier liegt auch ein berühmter Stadtmusiker von Halle begraben
Mehr noch aber als der „Galli“, wie ihn vor allem die Hallenser gern nennen, hat es der Schriftstellerin der Gertraudenfriedhof angetan. Die Anlage entstand in einer Zeit, in der Halle eine blühende Stadt mit steigenden Einwohnerzahlen war. Als das Feuerbestattungsverbot auch in Preußen fiel, veranlasste Bürgermeister Richard Robert Rive (1864–1947) den Kauf des Areals zwischen Galgenberg, Landrain und Dessauer Straße. Architekt Wilhelm Jost (1874–1944) aus Hessen erhielt den Großauftrag, eine Friedhofsanlage zu entwerfen.
Errichtet werden sollte der Friedhof zur Entlastung des Südfriedhofs, und den Namen Gertrauden erhielt er in Anlehnung an den ehemaligen innerstädtischen Friedhof der Pfarrkirche St. Gertruden, der im Zuge des Baus des Schiffes der Marktkirche und der Anlage des Marktplatzes beseitigt wurde. Am 12. September 1914 - im Ersten Weltkrieg - ging der Gertraudenfriedhof mit der Erdbestattung eines französischen Kriegsverletzten in Betrieb.
Viele Menschen haben seitdem ihre letzte Ruhe auf dem Friedhof gefunden, darunter Halles Wahrzeichen, der als „Zither-Reinhold“ bekannte Straßenmusikant Reinhold Lohse, und auch der berühmte Maler und Grafiker Willi Sitte.
Berührender Grabstein im Gertraudenfriedhof: Die Geschichte der Polin Krystyna Wituska
Eines der berührendsten Grabmale jedoch ist das der Polin Krystyna Wituska. Mit dem Leben der 1944 von den Nazis im Roten Ochsen hingerichteten 24-Jährigen hat sich Simone Trieder eingehend beschäftigt.
Ergebnis der fünf Jahre währenden intensiven Nachforschungen über das Leben und den Tod der jungen polnischen Widerstandskämpferin im Zweiten Weltkrieg ist ein Buch mit dem Titel „Zelle Nr. 18“, das Simone Trieder gemeinsam mit dem Historiker Lars Skowronski geschrieben hat.
„Das Schicksal der jungen Frau, ihr Mut und ihre Aufrichtigkeit haben mich sehr berührt“, sagt die Autorin, die dafür in Warschau, aber auch in Paris in Archiven recherchiert und überlebende Zeitzeugen interviewt hat. Ergebnis der Beschäftigung mit dem Thema ist auch das von Bildhauer Bernd Göbel gestaltete Denkmal, das stellvertretend für alle während der Nazi-Diktatur Hingerichteten steht.
Am 26. Juni 2014, dem 70. Todestag der jungen Polin, wurde die Stele mit dem Bildnis Krystyna Wituskas eingeweiht. Für Simone Trieder war ein Moment besonders bewegend: Sie verlas den Abschiedsbrief der Polin an deren Eltern - an einem Ort, der Ruhe ausstrahlt. Und Frieden. (mz)