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Stadtrat Halle Stadtrat Halle: Wiegands Kritiker arbeiten zusammen

29.05.2013, 08:14
Arbeiten im Stadtrat zusammen: Bernhard Bönisch (CDU), Gerry Kley (FDP) und Johannes Krause (SPD)
Arbeiten im Stadtrat zusammen: Bernhard Bönisch (CDU), Gerry Kley (FDP) und Johannes Krause (SPD) Günter Bauer Lizenz

Halle/MZ - CDU, SPD und FDP bringen es auf eine knappe Mehrheit im Stadtrat. Vor der Wahl des neuen Oberbürgermeisters Bernd Wiegand (parteilos) ließ man oft kein gutes Haar an der jeweils anderen Fraktion - nun arbeitet man immer öfter zusammen und positioniert sich gegen Wiegand. Zuletzt hatten sich die drei Fraktionschefs Bernhard Bönisch, Johannes Krause und Gerry Kley sogar beim Landesverwaltungsamt in einem gemeinsamen Brief über den OB beschwert. Was steckt hinter dieser kritischen Haltung? Angst vor Veränderung, Prinzip oder berechtigte Empörung? MZ-Mitarbeiter Felix Knothe hat mit den drei Kommunalpolitikern gesprochen.

Welchen Namen würden Sie denn Ihrer Koalition geben?

Bönisch: Es ist keine Koalition. Es gibt keinen Vertrag, der uns irgendwie bindet. Es gibt nach wie vor viele eigene Anträge, die von den anderen möglicherweise auch abgelehnt werden.

Kley: Es ist eher eine sachbezogene Zusammenarbeit …

Krause: … die trotzdem bemerkenswert ist.

Eint Sie einzig die Gegnerschaft zum neuen Oberbürgermeister?

Kley: Nein. Die Zusammenarbeit hat für uns den Vorteil, dass wir die wenigen Möglichkeiten, die wir als ehrenamtliche Stadträte haben, bündeln können. Dies ist vor allem nötig, weil die Verwaltung gerade nicht die nötige Kooperation zeigt. Sie müsste uns eigentlich unterstützen. Aber wir hatten zum Beispiel beim Haushalt das Problem, dass nicht einmal die Beschlüsse des Rates umgesetzt wurden. Auch Derartiges müssen wir jetzt kontrollieren. Das ist sehr ungewöhnlich.

Krause: Wir haben sehr früh gemerkt, dass die Transparenz, die der Oberbürgermeister nach außen versprochen hat, offensichtlich nicht für den Rat gilt. Was die Verwaltungsreform angeht, haben wir schon im Dezember angefangen nachzufragen und keine Antworten bekommen, oder viel zu spät. Wir müssen aber den Anspruch haben, etwas beeinflussen zu können. Daher also die Kooperation.

Bönisch: Wir haben eine Kontrollpflicht gegenüber dem Oberbürgermeister. Das akzeptiert er aber nicht. Bestes Beispiel sind die Personaleinstellungen von Anfang Dezember. Der Personalrat hat darauf hingewiesen, dass er dabei rechtliche Probleme sieht, aber der OB verweigert uns Informationen und Akteneinsicht, mit Verweis auf den Datenschutz. Dabei ist der Rat von Gesetzes wegen auch für Personalangelegenheiten zuständig.

Warum stehen Linke und Grüne anders zum OB?

Kley: Die Linken und die Grünen haben diesen Oberbürgermeister gewollt, ihn unterstützt und protegiert. Das heißt, sie müssen sich jetzt auch für ihn mit in Haftung nehmen lassen.

Krause: Der Fairness halber muss man aber sagen, dass die hinter den Kulissen auch stöhnen. Die sagen es nur nicht laut.

Sind die Stellen der einzige Zankapfel?

Kley: Wir können inhaltlich gegen ihn gar nichts sagen, weil es keine Inhalte gibt. Seit einem halben Jahr beschäftigt sich die Stadt mit Personal. Da werden Leute versetzt auf Stellen, die es nicht gibt. Da werden Leute eingestellt, ohne Rat oder Hauptausschuss zu fragen. Inhalt - Fehlanzeige. Wir haben das auch bei der Diskussion um die Kultur erlebt: Statt dass der Oberbürgermeister Vorgaben macht, wie er sich die Dinge vorstellt, muss nun der Geschäftsführer der Kultur-GmbH ein Konzept machen. Das ist Prinzip. Herr Dr. Wiegand sagt: Ich will kein Problem hören, bringt mir Lösungen. Dafür ist aber der OB da. Er hat 2500 Mitarbeiter, die Lösungen erarbeiten müssen.

Dass Wiegand den ersten ausgeglichenen Haushalt seit zehn Jahren vorgelegt hat, zählt für Sie nicht?

Bönisch: Nun ja, warum soll ein neuer OB nicht auch mal Glück haben. Die günstigen Effekte aus der Einführung der doppischen Haushaltsführung treten aber nur 2013 auf und sind wirklich nicht Wiegands Verdienst. Im nächsten Jahr wird es leider wieder viel schwieriger werden.

Kley: Außerdem kommt auch in diesem Jahr der Haushalt nicht ohne Kredite aus. Nur der Ergebnishaushalt ist ausgeglichen, der Finanzhaushalt nicht.

Krause: Auch seine Personalmaßnahmen kosten viel Geld. Allein seine vier engsten Mitarbeiter, die er offenbar mit höheren tariflichen Erfahrungsstufen eingestellt hat, als gerechtfertigt wäre. Zwischen Erfahrungsstufe eins und sechs liegen ungefähr 1 000 Euro. Das sind knapp 50 000 Euro im Jahr. In sieben Jahren Amtszeit sind das rund 340 000 Euro. Da haben wir noch nicht über die anderen von uns monierten Stellen im Stellenplan gesprochen.

Bönisch: Die Stellenstreichungen, die wir dort durchgesetzt haben, bedeuten Hunderttausende Euro Einsparung pro Jahr.

Die betreffen aber auch zentrale Bereiche von Wiegands Struktur, die Dienstleistungszentren. Wollen Sie die torpedieren?

Kley: Nein, wir haben nichts gegen seine Struktur. Wir haben nur die zusätzlichen Stellen wieder gestrichen. Der OB kann gerne seine Zentren errichten, wenn er die vorhandenen Stellen nutzt. Er hat jedoch jene Personen, die Amtsleiter waren, mit ihrer Stelle woanders hingesetzt und dann eine neue Stelle ausgebracht. Er kann aber nicht am Ende zehn Stellen mehr haben als vorher. Das war sein Trick, er hat sich Stellen gezaubert. Das hat aber Finanzauswirkungen, und das ist unser Thema.

Das Landesverwaltungsamt hat den veränderten Haushalt gestoppt. Erwarten Sie noch mehr?

Krause: Wir haben bis heute noch keine Antwort auf unseren Brief bekommen. Ich verstehe nicht, wieso das so lange dauert. Die Bevölkerung, der der OB Transparenz verspricht, kann ihn nicht kontrollieren. Unsere Kontrollrechte versucht er aber zu begrenzen. Da erwarte ich mir schon ein deutliches Wort der Kommunalaufsicht.

Bönisch: Wir verhungern am ausgestreckten Arm. Einzig zu Wiegands Widerspruch gegen die gestreckte Gewinnauszahlung der Wohnungsunternehmen ist bisher entschieden worden; da hat der OB Recht bekommen. Wenn er also sagt, das Verwaltungsamt behindere ihn, dann ist das Quatsch.

Bernd Wiegand hat wiederholt von „alten Kräften“ gesprochen, die seine Arbeit behindern würden. Fühlen Sie sich angesprochen?

Krause: Das nehme ich mir nicht an. Wiegand hat nie erklärt, was er damit meint. Die Rede von den „alten Kräften“ bewirkt derzeit nur eines: Sie stellt selbstverständliches demokratisches Miteinander in Frage. Zu meinen, weil er parteilos ist, sei er objektiv, ist ein Irrtum.

Bönisch: Wir sagen ja gar nicht von vornherein, dass alles, was Wiegand macht, schlecht ist. Wir haben zum Beispiel die Personalie Jens Rauschenbach als Sparberater immer unterstützt.

Die Bürger dürften aber auch darüber hinaus erwarten, dass sie mit dem OB zusammenarbeiten.

Bönisch: Gerade fallen wichtige Entscheidungen im Land, ob das der vierte Bauabschnitt der Osttangente ist, das Schul-Sanierungsprogramm Stark III oder das Entschuldungsprogramm Stark IV. Es ist wichtig, dass die Stadt Halle, also wir, jetzt dafür kämpfen. Aus den Ministerien höre ich, dass der OB bis jetzt nicht vorstellig geworden ist. Wir würden sogar die Eskorte für ihn machen, bloß damit in Magdeburg endlich ein bisschen Druck entsteht.

Krause: Wir wollen nicht, dass Projekte auf Eis liegen, nur weil es heißt, der OB und der Rat streiten sich. Halle soll gewinnen und nicht verlieren. Bei den Projekten die Herr Bönisch erwähnt hat, und auch bei anderen, unterstützen wir den OB vorbehaltlos.

Kley: Im Rahmen der Gesetze kämpfen wir immer gemeinsam für unsere Stadt. Das haben die Beschlüsse im letzten halben Jahr gezeigt.