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Stadtgeschichte Halle Stadtgeschichte Halle: Schätze aus dem Kleiderschrank

Von Silvia Zöller 14.03.2016, 09:20
Christel Schilling hat quasi die Geschichte im Kleiderschrank.
Christel Schilling hat quasi die Geschichte im Kleiderschrank. Holger John

Halle (Saale) - Die großen Namen kennen noch viele Hallenser: Loewendahls, Huth, Lewin. Die Warenhäuser am und um den Markt waren ein Begriff. Und auch heute noch wird Christel Schilling jeden Tag an diese Geschäfte erinnert: Sie besitzt viele Kleiderbügel dieser alten Geschäfte, die heute längst nicht mehr existieren. Die 78-Jährige sammelt die bedruckten Bügel mit Leidenschaft: „Meine Liebe gehört Halle.“ Was sie jedoch nicht hat, ist ein Exemplar mit dem Aufdruck „Karstadt“ - ein Hobbyhistoriker sucht zurzeit Erinnerungen an das alte Kaufhaus in Halle.

Bei Christel Schilling verstauben die Bügel nicht in einer Kiste, sondern werden dafür gebraucht, wozu sie da sind: Zum Aufhängen von T-Shirts, Blusen und anderer Kleidung der Rentnerin. Und Christel Schilling kann praktisch zu jedem dieser kleinen Schätzchen eine Geschichte erzählen. So weiß sie, dass es im Warenhaus Arnold und Troitzsch in der Großen Ulrichstraße Teppiche und Gardinen zu kaufen gab: „Dort ist heute das Hörgerätegeschäft Kind zu finden.“ Dass das einstige jüdische Kaufhaus Salomon Weiss am Markt (heute „New Yorker“) zu DDR-Zeiten als „Kaufhaus Aktivist“ bekannt war, daran erinnert sie sich noch gut. Und die geschichtsinteressierte Hallenserin berichtet, dass Weiss das größte Fachgeschäft für Knabenbekleidung in ganz Preußen war.

Zwei Filialen in Halle

Ganz eindrückliche Erinnerung hat sie aber an das Schuhhaus Wiebach, das zwei Filialen in Halle hatte: eine in der kleinen Ulrichstraße dort, wo heute der „Kaffeeschuppen“ ist, und eine in der Leipziger Straße 101. Christel Schilling hat dort als Kind Schuhe anprobiert: „Dort gab es so einen Apparat für Kinder, in den man sich mit den neuen Schuhen hereinstellte. So konnte man sehen, ob sie passen.“ Wie das Gerät genau funktioniert, kann sie nicht mehr sagen - „das war so eine Art Röntgen.“

Egal ob „Manufaktur und Modewaren Lewin, gegründet 1859“ am Markt oder das Loewendahls Kaufhaus in der Großen Ulrichstraße an der Stelle des heutigen Kaufhauses Müller - Christel Schilling mochte die alten Kaufhäuser sehr, vor allem diejenigen mit den weitläufigen Treppenhäusern. Und sie meint, dass das Einkaufen damals einfacher als heute war: „Damals bekam man alles in der Innenstadt. Heute muss man für vieles auf die grüne Wiese fahren.“

Egal ob Delikatessen bei Pottel und Broskowski am Leipziger Turm oder Herde, Glas und Steingutwaren bei Hempelmann und Krause in der Großen Nikolaistraße - die Vielfalt war auch im alten Halle immer groß. Und vielleicht war auch irgendwie eine andere Stimmung in der Stadt. Denn die 78-Jährige kennt noch eine Anekdote, wenn auch nur vom Erzählen: Vor dem Kaufhaus Hollenkamp an der Ecke Bölbergasse und Große Ulrichstraße habe das hallesche Original Zither-Reinhold oft gesessen.

Eines Tages sei der Besitzer des Bekleidungshauses - das auch in Leipzig eine Filiale hatte - vor die Tür getreten und habe dem Musiker einen Anzug geschenkt, weil Zither-Reinhold bekanntlich nur sehr ärmlich gekleidet war.

Selbst gesehen und lebhaft in Erinnerung hat Christel Schilling dagegen noch die fantasievollen Schaufensterdekorationen der früheren Jahre: „Da wurden noch Wünsche geweckt“, schwärmt sie. (mz)