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Sommertheater auf Burg Giebichenstein Sommertheater auf Burg Giebichenstein: Liebe und andere Katastrophen

Von Mike Händler 13.08.2014, 13:43
Ensemble-Szene in stimmungsvoller Kulisse
Ensemble-Szene in stimmungsvoller Kulisse Mike Händler Lizenz

Halle (Saale)/MZ - Hochwasser! Dammbruch! Kurz nach 22 Uhr flutet der Inhalt eines Wassereimers die Ruinen der Burg Giebichenstein. Hektik bricht auf der Bühne aus. Ein Zuschauer wird zwangsgerettet. Wehren ist zwecklos. Am Ende kommen alle glimpflich davon - und amüsieren sich köstlich darüber.

„Wahlverwandtschaften“ ist der Titel des Stücks, das die „Schaustelle Halle“ und das Künstlerhaus Thüringen in einer Koproduktion auf der Oberburg Giebichenstein aufführen. Inszeniert ist es nach dem gleichnamigen Roman von Goethe. Die Geschichte handelt von zwei Paaren, die sich überkreuz verlieben. Die Irrungen und Wirrungen ihrer Leidenschaften treffen das adlige Paar Eduard und Charlotte sowie den Hauptmann Otto und Charlottes Nichte Ottilie.

Hochwasser und Dammbrüche spielen im Originaltext eigentlich kaum eine Rolle. Aber dafür in der halleschen Version. Gab es hier doch erst im Juni des letzten Jahres ein schweres Hochwasser. Und kurz darauf begann ein umstrittener Dammbau auf Weisung des Oberbürgermeisters Bernd Wiegand. Regisseur und Dramaturg Silvio Beck blickt mit seiner Fassung satirisch auf diese Ereignisse zurück – zur sicht- und hörbaren Freude des Publikums.

Im Schatten des altehrwürdigen Torturms der Burg sehen die Zuschauer ein unterhaltsames Schauspiel. Komik und Tragik wechseln einander ab. Und mit dem Einbruch der Nacht vermag der Beleuchter die Szenen und Stimmungen farblich ins rechte Licht zu rücken.

Das vierköpfige Schauspieler-Ensemble mit Astrid Kohlhoff, Corinna Mühle, Mario Pinkowski und Thomas Kressmann überzeugt durchweg. Ob markerschütternde Schreie oder subtiles Spiel: Das Publikum blickt stets gefesselt und gespannt auf die Akteure.

Die schlicht ausgestattete Bühne rückt die Protagonisten in den Vordergrund. Bewegliche Requisiten wie Stühle und Bretter betten die Schauspieler geschickt und vieldeutig in die Handlung ein. Und selbst die Zuschauer avancieren zu Nebendarstellern des Stückes. Als Bürgermeister, Chirurg oder Feuerwerker für eine Dammeröffnung bestreiten einige ein abwechslungsreiches Rollenspiel.

Die Illusion als Mittler der Handlung gerät zur großen Stärke der Aufführung. Mit dem poetischen Text Goethes entführen die Schauspieler das Publikum beispielsweise auf eine wilde Bootsfahrt oder in eine Schlacht der Napoleonischen Kriege. „Wahlverwandtschaften“ thematisiert die Liebe als unkontrollierbares Gefühl. Die Licht- und Schattenseiten ihrer Zuneigung versuchen die Paare sogar naturwissenschaftlich zu begreifen. Doch kann die Chemie die ideelle Liebe erklären? Das Wechselspiel von Leidenschaft und Enttäuschung gipfelt dann doch unbeherrschbar in einer Katastrophe.

Die Aktualität eines Goethe bezeugt der Blick in die Abgründe der Liebe, die selbst Teil seines Lebens waren. Die Adaption des Romans „Die Wahlverwandtschaften“ als Theaterstück verarbeitet damit ein Thema, das auch die Zuschauer betrifft. Und wenn Eduard und Otto mit langen Soldatenröcken im Granatenhagel in den Schützengräben liegen, kommt noch ein weiteres hochaktuelles Thema hinzu.

Für die gekonnten schauspielerischen Leistungen und ein stimmiges Stück, angereichert mit Lokalkolorit, brachen am Ende der Aufführung am vergangenen Samstag die Dämme vor Begeisterung. Mit einem starken und verdienten Applaus dankten die Zuschauer für einen kurzweiligen Abend. Im Anschluss lud das Ensemble noch zu einem Gespräch an die Bar ein. Man hatte sich doch so viel zu erzählen - von Liebe und anderen Katastrophen.

Weitere Aufführungen: 13.8. bis 17.8.; 22.8. bis 24.8. - jeweils 20.30 Uhr