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Senfmüller Jörg Hündorf Senfmüller Jörg Hündorf: Der Scharfmacher aus Halle

Von MARLENE KÖHLER 19.11.2010, 16:57

Halle (Saale)/MZ. - Als er vor sechs Jahren begann, seinen eigenen Senf herzustellen, ahnte Jörg Hündorf nicht, welche Erfolgsgeschichte er schreiben würde. Heute gehören die fünf Sorten "Georgsenf", die der Hallenser in der Manufaktur im elterlichen Wohnhaus produziert, für Feinschmecker zu den Favoriten auf dem Mostrich-Markt. Hündorfs Senf, loben Kenner, besitze eine Tiefe, die nicht einmal die französischen Spitzensenfe erreichen. Wie gelingt das dem gelernten Orgelbauer?

Vielleicht begann es mit der Umschulung zum Koch nach der Wende im Osten Deutschlands, während der Umbrüche Anfang der 90er Jahre. Doch eigentlich hatte sich Jörg Hündorf schon immer fürs Kochen, Würzen und für Fleisch interessiert. Kein Wunder, wenn man ein Spross der Hündorfs ist: Seit 1938 gibt es die Fleischerei in der halleschen Georgstraße, die Großeltern haben sie gegründet, die Eltern jahrzehntelang weiter betrieben, 2003 übernahm Jörgs Bruder Hubert das Geschäft. Zusammen mit Vater Willi hatten die Söhne 2001 die Umwandlung in eine Biofleischerei betrieben. "Als reiner Verarbeiter sind wir die einzige Biofleischerei in Ostdeutschland", sagt Jörg Hündorf.

Lange gesucht habe man nach einem Biobauern in der Region und sei schließlich in Rotha bei Sangerhausen fündig geworden. Die Umstellung habe sich gelohnt, eine völlig andere Kundschaft kaufe jetzt ein und sie werde, trotz der etwas höheren Preise der Produkte, immer größer.

Mancher kommt vielleicht auch, weil der Laden mit einem ungewöhnlichen Ambiente aufwartet: An der Decke hängen Töpfe, Eimer und Kannen, in Regalen macht klassisches Kochwerkzeug Lust auf die Zubereitung der Speisen. Langlebige Eisenpfannen und Kupfertöpfe sind hier ebenso zu finden wie hochwertige Messer oder Gewürzschütten. Und in den Regalen auf der anderen Seite des Geschäfts wird Jörg Hündorfs "Georgsenf" angeboten.

Seinen Namen trägt er nach dem heiligen Georg, dem Schutzpatron der Müller. Und weil er in der Georgstraße produziert wird. Außerdem sei Jörg eine Abwandlung von Georg. In schönen Steinzeugtöpfen, mit Korken und Siegel versehen, präsentieren sich die Sorten "Classic", mit Bienenhonig, mit grünem Urwaldpfeffer, der superscharfe Herrensenf und, neu seit einem Jahr, der "Apfeltraum" als Angebot an die Damenwelt. Komponiert mit Kaiser-Wilhelm-Äpfeln von der Streuobstwiese im sachsen-anhaltischen Steigra, kommt er fruchtig daher, mit leichter Süße und dennoch prickelndem Abgang.

"Vor zehn, zwölf Jahren hat mir der Senf, den es im Handel zu kaufen gab, nicht mehr geschmeckt, er war einfach nicht mehr scharf genug", sagt der 45-Jährige. Auf der Suche nach dem verlorenen Geschmack der Kindheit experimentierte Hündorf mit Gewürzen, probierte verschiedenes mit Senfkörnern aus. Zuerst wurde mit einer Kaffeemühle, dann einer Mohnmühle gemahlen, das Pulver mit Ingredienzien versetzt, die Maische gerührt, in Ruhe reifen gelassen, immer wieder gekostet, verworfen, ergänzt, verfeinert. Als tragfähig erwiesen sich Urwaldpfeffer aus dem indischen Kerala, eine Spur Nelken, etwas Essig, Weißwein aus dem Lössnitztal bei Dresden und natürlich Salinesalz aus der Heimatstadt Halle. Besonders wichtig für das Ergebnis ist das Ausgangsprodukt, die Senfsaat. Die seltene braune, die scharf in die Nase steigt, sollte es sein. Doch die gibt es fast nur in Übersee, und das bedeutet lange Transportwege und Qualitätsschwankungen.

Also wieder Recherche, schließlich stieß Hündorf auf einen engagierten Saatzuchtbetrieb bei Sömmerda, der ihn nun mit der Braunsenfsaat versorgt. Auch die gelbe Senfsaat kommt aus dem Thüringer Betrieb sowie von den Hohenloher Landwirten bei Schwäbisch Hall. Zweimal pro Woche ist Senftag, da beginnt der lange Weg bis zum fertigen Produkt. Man muss dem Senf Zeit geben, Geschmack zu entwickeln, sagt Hündorf, der das aufwendige Kaltmahlverfahren favorisiert. Seit einem Jahr wird Georgsenf nach einem Verfahren aus dem 19. Jahrhundert vermahlen, mit einem traditionellen Steinmahlwerk. Hündorf fand im Erzgebirge einen der letzten handwerklich arbeitenden Mühlenbauer Deutschlands, der ihm ein Nassmahlwerk herstellte. Nun gerät die Maische zwischen zwei Lava-Basaltsteine aus der Eifel, jeder der grau-blauen Riesen misst fast einen Meter im Durchmesser und wiegt eine halbe Tonne. Schonend sei das Verfahren, es entstehe keine Reibungshitze, die dem Endprodukt schade, die ätherischen Öle würden erhalten und zum Schluss gebe es eine scharf-würzige Delikatesse, mit angenehm leichter Säure und dennoch lieblichem Aroma.

200 bis 300 Steinzeugtöpfe werden in Handarbeit jede Woche mit der köstlichen Masse gefüllt. Doch weil sich die Nachfrage beinahe wöchentlich erhöht, - auch die auf die schönen Dinge des Lebens spezialisierte Kette Manufactum bietet Georgsenf in Großstädten zwischen Hamburg und München an -, wuchs die Jahresproduktion auf etwa fünf Tonnen. Zwanzig rote Fähnchen stecken auf der Deutschlandkarte in Hündorfs Büro, mittlerweile führen ausgewählte Geschäfte in 15 Bundesländern den Scharfmacher aus Halle.