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Schieflage in Halle Schieflage in Halle: Warum sich die Türme der Marktkirche neigen

Von Detlef Färber 28.07.2016, 04:00
Die Fischerstecher-Figur des Göbelbrunnens weist genau auf den am stärksten aus dem Lot geratenen Blauen Turm der Marktkirche.
Die Fischerstecher-Figur des Göbelbrunnens weist genau auf den am stärksten aus dem Lot geratenen Blauen Turm der Marktkirche. Günter Bauer

Halle (Saale) - Alle machen es. Egal, woher sie kommen und wie alt oder wie klug sie sind: An dieser einen, immer gleichen skurrilen Geste im Schatten des berühmten Schiefen Turms von Pisa kommt von den Besucher-Millionen aus aller Welt praktisch keiner vorbei: Zwei Hände gegen eine imaginäre Mauer nach vorn gestreckt - und dann Klick: Ein Foto, auf dem es scheint, als hätte der jeweilige Besucher, den schiefen Turm festgehalten, damit er nicht umkippt.

Schiefe Türme wie den Campanile von Pisa gibt es übrigens gar nicht so selten. Der Kirchturm von Bad Frankenhausen etwa gilt mit 4,60 Meter außer Lot als noch schiefer als der Pisaner, der sich - nach immensen Sicherungsmaßnahmen - nun „nur“ noch 3,90 Meter zur Seite neigen soll.

Welt-Schiefe-Türme-Liste

Und auch Halle hat etwas zu der sehr eindrucksvollen Welt-Schiefe-Türme-Liste beizutragen: Bei Lichte besehen sogar zwei Türme: die „Blauen Türme“ auf der Hallmarktseite der Marktkirche nämlich. Und auch die werden in einer ähnlichen Weise wie der Pisa-Turm - einen gewissen fotografischen Winkel vorausgesetzt - festgehalten: Festgehalten freilich nicht (oder noch nicht) von Touristenströmen, sondern vom Stab der wunderbaren Fischerstecher-Figur auf dem „Jahrtausendbrunnen“ des halleschen Bildhauers Bernd Göbel.

Doch diese Figur hält den südlichen, besonders geneigten Blauen Turm nicht nur scheinbar fest, sondern sie weist auch auf ihn hin: Und damit auf ein Problem, dessen Schwere in Halle durchaus unterschiedlich beurteilt wird.

83 Meter hohe Türme

Fakt ist, dass der Südturm mit 2,60 Meter schiefer als der Nordturm (mit 2,10 Meter) ist. Doch weil beide, insgesamt 83 Meter hohen Türme, in die gleiche Richtung tendieren, fällt ihre Schieflage durch die Parallelität von unten weniger ins Auge. Klar ist auch, dass sich mit dem eingeschränkten Aufrechtstand der Türme schon zahlreiche Generationen in Halle beschäftigen durften - oder mussten.

Gabriele Kobzik, die für Immobilien dieser Art zuständige Teamleiterin der Stadtverwaltung, hat aufgelistet, was an den 1554 fertiggestellten und seit der Jahrtausendwende im Stadtbesitz befindlichen Türmen schon alles geschehen ist: Von den ersten großen Sicherungsmaßnahmen 1780 bis hin zur umfassenden Sanierung nach 1990. Laut Kobzik sei die 1924 erbaute einstige Trafostation und jetzige Kaufhalle zu Füßen der Türme seinerzeit nicht zuletzt „auch als ein Stützbauwerk“ für sie gedacht gewesen.

Neigung der Blauen Türme

Mit Maßnahmen wie dieser habe die Neigung der Blauen Türme gebremst, aber nicht gestoppt werden können. Doch werde sie genauestens beobachtet und gemessen. Und die Messwerte über die Turmneigung werden - quasi als eine Art Pisa-Studie - extern gesammelt und laufend von Experten ausgewertet. Ergebnis bisher - aus Sicht der Stadt: „Die Daten geben keinen Anlass zur Besorgnis“, sagt Gabriele Kobzik. Handlungsbedarf bestehe also nicht.

Freilich ist das Problem „Blaue Türme“ wohl nicht von den Problemen der Marktkirche zu trennen. Die gegenseitige Verankerung der Gemäuer und die darüber übertragenen, schwer beherrschbaren Zugkräfte aus der riesigen Hallenkirche gelten als einer der Gründe für den Schiefstand, so Harald Bartl, Stadtrat und Pfarrer der Marktkirche.

Fördermittel in Sicht

Doch er und sein Kirchbauverein haben aktuell noch ganz andere Probleme mit größer werdenden Rissen im Gewölbe der Kirche, die dringend gesichert und deren Risse mit Blei ausgegossen werden müssten.

1,7 Millionen Euro werden für die - ja, muss man schon sagen, Rettung? - der Kirche aufgebracht. Doch Fördermittel sind in Sicht. Sobald sie flüssig gemacht sind, wolle und müsse man mit der Sanierung beginnen. Denkbar sei sogar, dass dies schon 2017 - also im Lutherjahr geschieht: 50.000 Euro seien an Eigen- sprich an Spendenmitteln aufzubringen, sagt Pfarrer Bartl. Die Spendenaktion für den Erhalt von Halles Wahrzeichen läuft bereits. Der Förderverein der Marktkirche hat bei der Saalesparkasse ein Spendenkonto eingerichtet - mit der Nummer: IBAN: DE95800537621894058549 (mz)