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Wie gut darf es einem im Knast gehen? Roter Ochse Halle: Wie gut darf es einem im Knast gehen?: "Silvester steigen hier keine Raketen auf"

Von Dirk Skrzypczak 28.12.2018, 07:00
Auf jeder Etage im Roten Ochsen steht ein Weihnachtsbaum. Die Haftanstalt hatte für die Kinder der Gefangenen in der Haftanstalt auch eine Kinderweihnacht organisiert - damit der Trennungsschmerz nicht zu groß wird.
Auf jeder Etage im Roten Ochsen steht ein Weihnachtsbaum. Die Haftanstalt hatte für die Kinder der Gefangenen in der Haftanstalt auch eine Kinderweihnacht organisiert - damit der Trennungsschmerz nicht zu groß wird. Silvio Kison

Halle (Saale) - Im tristen, sterilen Flur mit den Zellen wirkt der kleine Kunstweihnachtsbaum verloren. Es ist ruhig über die Festtage im Roten Ochsen. Für die 570 Häftlinge, die in der Justizvollzugsanstalt (JVA) mit ihrer Außenstelle in der Frohen Zukunft ihre Strafen verbüßen, ist Weihnachten und Silvester wie ein Wochenendtag. Geweckt wird früh um 7 Uhr, dann beginnt der gewohnte Tagesablauf. 19 Uhr werden die Zellen wieder verschlossen.

„Silvester steigen hier keine Raketen auf“, sagt Gefängnisdirektor Hans-Jürgen Stach. Und wie zu Weihnachten bleibt der Rote Ochse auch Silvester für Besucher zu. Und doch ist das Anstaltspersonal bemüht, festliches Flair hinter die dicken Mauern zu bringen. „In diesen Tagen gibt es im Gefängnis keine harten Jungs. Wer Familie hat, ist nah am Wasser gebaut“, so Stach.

JVA in Halle: Revolte wegen Klößen

Und er kennt natürlich die Diskussionen in der Öffentlichkeit. Wie gut darf und sollte es einem Gefangenen gehen? Wasser und Brot, kein TV? Stach schüttelt den Kopf. „Wir sperren die Leute ja nicht für ihr ganzes Leben ein. Für die Resozialisierung nach ihrer Entlassung ist es wichtig, dass auch Häftlinge soziale Kontakte behalten.“ Deshalb habe es auch weihnachtliche Konzerte gegeben, ebenso ein Krippenspiel, unterstützt von den Kirchen.

Wichtiger als ein Fernseher in der kleinen Zelle, den sich Insassen übrigens selbst besorgen müssen, ist das Essen, vor allem war es so an Weihnachten. „Ich erinnere mich an eine Revolte in einem Gefängnis, weil die Klöße zerkocht gewesen sind“, erzählt der Leitende Regierungsdirektor.

JVA in Halle: Die Speisekarte über die Festtage

Die Speisekarte über die Festtage hätte auch gut in jede Wohnstube gepasst: Bockwurst und Kartoffelsalat am Heiligen Abend, Entenkeule mit Grünkohl und Klößen am ersten Weihnachtsfeiertag, Hirschgulasch mit Rotkohl und Klößen am zweiten. Drei Personen müssen jedes Mittagessen kosten, bevor es ausgegeben werden darf. Neben dem Direktor oder einem Vertreter gehören der Anstaltsarzt und der Wirtschaftsleiter zu diesem Kreis.

Geschenke oder gar Pakete dürfen die Häftlinge schon seit Jahren nicht mehr bekommen. Aus gutem Grund. „Wir hatten hier im Roten Ochsen mal einen Fall, da sollte ein Handy in einem Schinken verpackt ins Gefängnis geschmuggelt werden“, sagt Stach. Dem Personal war der Schinken verdächtig vorgekommen, weil er so schwer gewesen ist. Eine Verschärfung der Anstaltsbestimmungen in Sachsen-Anhalt soll dem Schmuggel Einhalt gebieten.

JVA in Halle: Die Gefangenen haben Konten, auf die Geld eingezahlt werden kann

Die Gefangenen haben Konten, auf die Geld eingezahlt werden kann. Zweimal pro Woche hat dann der kleine Supermarkt in der JVA offen. Und doch kommen auch im Roten Ochsen immer wieder Gefangene illegal an Smartphones heran. „Die Geräte werden über die Mauer geworfen. Das können wir nicht verhindern“, sagt Stach.

Mit speziell trainierten Spürhunden und Handy-Ortungsgeräten geht die JVA gegen die verbotene Nutzung von Mobiltelefonen vor. Eine technische Lösung für das ganze Gefängnis, Handy-Blocker beispielsweise, lohnt sich im Roten Ochsen finanziell nicht mehr.

Roter Ochse in Halle: Was wird aus Immobilie?

Für den 1843 eröffneten „Knast“ sind die Tage als Strafanstalt gezählt. Der Standort in der Frohen Zukunft soll zu einem Supergefängnis ausgebaut werden. Aktuell läuft die Planungsphase. „2019 sollen die Bauleistungen ausgeschrieben werden, die, wenn alles klappt, dann 2020 beginnen“, so Stach. 2025 soll das neue Gefängnis fertig sein. Dann hat der Rote Ochse ausgedient. Und was kommt danach? Was hat das Land mit der Immobilie vor? Das sei wohl noch nicht final entschieden, meint der Direktor. Aber er wisse, „dass sich die Immobilienmakler bereits die Hände nach dem Grundstück ablecken“. Die Wohngegend ist attraktiv. Der Rote Ochse dürfte also kaum als Ruine enden.

Apropos Weihnachtswünsche. Zwölf Insassen bekamen das wohl schönste Geschenk schon Tage vor dem Fest von Sachsen-Anhalts Justizministerin Anne-Marie Keding (CDU): Sie fielen unter die Weihnachtsamnestie und durften nach Hause. Andere Wünsche bleiben indes unerfüllt. Manchen Gefangenen reichen die 32 Fernsehprogramme nicht aus. Sie wünschen sich Pay-TV, um beispielsweise die Fußball-Bundesliga gucken zu können. (mz)