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Rathaus Halle Rathaus Halle: Wiegand entmachtet Wirtschaftsdezernent

Von Michael Falgowski 11.03.2014, 22:10
Dezernent Wolfram Neumann hat derzeit wenig Grund zur Freude.
Dezernent Wolfram Neumann hat derzeit wenig Grund zur Freude. Archiv/Deutsch Lizenz

Halle (Saale)/MZ - Während Wolfram Neumann, Halles Beigeordneter für Wirtschaft und Wissenschaft, im Urlaub ist, wartete Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) am Dienstag mit einer faustdicken Überraschung auf: „Das Dienstleistungszentrum Wirtschaft und der Fachbereich Wirtschaftsförderung wechseln mit sofortiger Wirkung in den Geschäftsbereich des Oberbürgermeisters.“ In seinen eigenen also. Nun ist im Rathaus die Wirtschaft Chefsache. Damit erweitert Wiegand einerseits seine direkte Zuständigkeit um ein wichtiges Feld. Andererseits entmachtet er Wolfgang Neumann.

So scheint Wiegand auch die Weichen dafür stellen zu wollen, künftig eine Stadtverwaltung mit nur noch vier statt fünf Dezernaten zu führen. Dies hatte der Oberbürgermeister bereits nach seinem Amtsantritt im Jahr 2012 vorgeschlagen, war damals aber im Stadtrat gescheitert.

Neben Wolfram Neumann besetzen vier weitere Beigeordnete, die vom Stadtrat gewählt wurden, Schlüsselpositionen in Halles Stadtverwaltung. Die einzelnen Mitglieder dieses Quartetts haben dabei ganz unterschiedliche Machtpositionen.

Der dienstälteste Beigeordnete ist Finanzdezernent Egbert Geier. Der 47-Jährige trat am 1. Januar 2013 seine zweite Amtszeit von sieben Jahren an. Er gilt als versierter Finanzexperte - das bescheinigte ihm auch der Stadtrat mit der Wiederwahl. Sowohl in der Ära der früheren OB Dagmar Szabados (SPD) als auch unter Wiegand wirkte und wirkt er bisweilen aber sehr zurückhaltend beim Organisieren politischer Mehrheiten für finanzpolitische Konzepte. Das finden nicht alle Kommunalpolitiker gut. Wiegand hat Geier auch durch Einsetzung des Finanzberaters Jens Rauschenbach aus dem Rampenlicht gedrängt.

Seit Anfang 2009 im Amt ist Bildungs- und Sozialdezernent Tobias Kogge. Anfangs ging der heute 58-Jährige überaus beherzt auch an sehr unpopuläre Vorhaben wie Schulschließungen heran. Das hatten ihm einige Stadträte übelgenommen. Inzwischen praktiziert Kogge einen diplomatischeren Stil. Sein Image erhielt weitere Kratzer, als eine Affäre mit einer Rathausangestellten, die im Streit endete, bekannt wurde. Seit Amtsantritt von Wiegand sucht Kogge auch weniger die mediale Öffentlichkeit.

Die gebürtige Amerikanerin Judith Marquardt ist erst seit Mitte 2013 im Amt. Der 50-jährigen Kultur- und Sportdezernentin unterstehen das Dienstleistungszentrum Veranstaltungen sowie die Fachbereiche Kultur und Sport. Die Hochkultur - mit Oper, Staatskapelle und Theatern - hatte Wiegand kurz nach seinem Amtsantritt seinem eigenen Bereich zugeordnet. Deshalb gilt Marquardt bei Kritikern der Verwaltungsstruktur als Beigeordnete ohne echtes Ressort.

Seine umgängliche Art und seine Kompetenz hatten Baudezernent Uwe Stäglin im Sommer 2011 einen Einstand nach Maß noch in der Szabados-Ära beschert. Stäglin kam gut an bei den Hallensern. Unter Wiegand ist der Stern des 43-Jährigen nun etwas verblasst. Wegen Problemen, die in der Verantwortung des Bauressorts liegen, zählte der OB Stäglin wiederholt öffentlich an. (mit)

Neumann ist seit Anfang 2008 im Amt, Ende 2014 läuft sein Vertrag aber aus. „Ich werde im Stadtrat erneut für die Stelle des Wirtschaftsdezernenten kandidieren“, hatte Neumann noch Ende vergangenen Jahres angekündigt. Damals war der Wirtschaftsbeigeordnete auch im Stadtrat offen kritisiert worden, unter anderem wegen der geringen Ansiedlungserfolge im A14-Industriegebiet „Starpark“. Auch das defizitäre Mitteldeutsche Multimediazentrum (MMZ) mit seinen Millionen-Risiken oder die schwierige Entwicklung des Innenstadt-Einzelhandels wurden Neumann angelastet. Seitdem steht der 45-Jährige unter Druck und braucht Erfolge. Die ließen freilich bislang auf sich warten.

In zwei Wochen neue Arbeitsgruppen bilden

Bernd Wiegand erläuterte am Dienstag seine Entscheidung - ohne Neumann direkt zu kritisieren. Ende vergangenen Jahres habe er bereits angekündigt, die Verwaltungsstruktur weiter zu verändern, um so die Wirtschaft enger an den Oberbürgermeister zu binden. Er sei persönlich überrascht gewesen, wie sehr er von Wirtschaft und städtischen Unternehmen darum gebeten worden sei. „Wir möchten mit diesem Schritt die Wirtschaftsförderung effizienter aufstellen und der Wirtschaft zusätzliche Impulse geben“, sagte der Oberbürgermeister.

Er wolle sich bei der Neuaufstellung von Metropolregion Mitteldeutschland und der Wirtschaftsinitiative Mitteldeutschland engagieren, ebenso beim einheitlichen Flächenmanagement wie im „Starpark“, bei der Fördermittel-Steuerung und auch beim MMZ. Neumann traut er das alles offenbar nicht zu. In den nächsten zwei Wochen möchte Wiegand nun zwei neue Arbeitsgruppen installieren. In einem Gremium sollen die Geschäftsführer der städtischen Beteiligungsunternehmen und Vertreter der Kammern sitzen. Zudem soll sich ein Wirtschaftsbeirat künftig unter anderem verstärkt um die Akquise und die Fördermittelbeschaffung kümmern.

Bekanntes Schema im Rathaus

Wiegand folgt einem durchaus bekannten Muster im Rathaus. Zuletzt hatte sich der OB beispielsweise die Verhandlungen um die Zukunft der Theater- und Orchester GmbH aus dem Bereich des Kulturdezernats auf den Tisch gezogen. Als Innendezernent war es Wiegand übrigens selbst so ergangen: Die damalige Oberbürgermeisterin Dagmar Szabados (SPD) hatte ihm im offenen Streit mehrere Ämter entzogen.

Zu Wiegands Aufgaben gehören heute neben den Fachbereichen Recht, Rechnungsprüfung und Sicherheit (mit Brand- und Katastrophenschutz) die „Strategische Steuerung“ und nun auch die Wirtschaft. Bei Neumann verbleiben Immobilienmanagement, Wissenschaft, Liegenschaften und der Eigenbetrieb für Arbeitsförderung.