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Puzzle dauerte zwei Jahre

Von CLAUDIA CRODEL 17.12.2009, 19:23

HALLE/MZ. - "Winzig klein waren manche Glasstücke, teilweise nur wenige Zentimeter groß", erinnert sich Ines Trappiel. Die diplomierte Restauratorin bekam im Jahr 2007 den Auftrag, das Mittelfenster exemplarisch für die anderen Chorfenster wieder herzustellen und zwar im Original. Mehr als zwei Jahre hat sie dazu gebraucht. Jetzt hat sie es eingebaut.

Dabei sah es zuerst gar nicht so aus, dass man das Fenster der 1893 geweihten, zu Ostzeiten zum Baulager umfunktionierten Kirche rekonstruieren kann. Entwürfe dazu gibt es nicht mehr. "Es existiert lediglich eine Fotografie im Stadtarchiv aus den 30er Jahren, die eigentlich den Altar im Bild festhält. Durch Zufall sind auch die Fenster darauf", erzählt Martin Gottschalk, Baubeauftragter der Gemeinde. Dieses Foto wurde kopiert, digital entzerrt und Eins zu Eins vom Blatt hergestellt. "Der Entwurf wurde also nachgestellt."

Die Glasfenster stammen von Alois Freystadl aus Hannover. "Sie sind ein einzigartiger Kunstbestand für Halle", betont Gottschalk. Aus Freystadls Glasmalerei-Werkstatt existiere in Sachsen-Anhalt nur noch ein Ornamentfenster in Bad Kösen. Deshalb sollte alles daran gesetzt werden, den Originalzustand wieder herzustellen.

Bei der Recherche zu den Fenstern stellte sich heraus, dass die Bayernfenster des Kölner Doms als Vorlage angesehen werden können. Die Kölner Fenster hätten einst für viele Glaskünstler als Vorbild gedient, auch für Freystadl, der sie kopiert, teilweise aber auch verändert hat, erzählt Gottschalk.

"Für mich war die Arbeit eine große Herausforderung", meint Ines Trappiel. "Wegen der großen Fehlstellen dachte ich zuerst, das geht gar nicht", erinnert sie sich. Durch die aufgefundenen Vorlagen sei das dann doch möglich gewesen. "Es war eine riesige Puzzlearbeit. Jedes der winzigen Glasstücken musste ich zuordnen und aufwendig reinigen", erzählt die Restauratorin. Bevor sie das Glasfenster wieder zusammensetzen konnte, mussten die Fehlstellen neu angefertigt werden. Bei ihrer Arbeit verwendete sie neuartige Techniken, darunter eine bestimmte Art zu kleben. Auch bekommen die Chorfenstern eine Schutzverglasung. "Das ist beispielhaft für Ostdeutschland", meint Gottschalk.

Das Mittelfenster erzählt das Pfingstwunder nach. Die Fenster rechts und links davon zeigen die Apostel. Darüber wird Christus als Weltenrichter dargestellt. Und der Wandfries mit seiner Propheten-Darstellung sorgt dafür, dass der Chorbereich eine thematische Einheit ergibt. Auch der Fries muss noch restauriert werden.

Ines Trappiels Arbeit war exemplarisch für die anderen Chorfenster. Diese werden von der Quedlinburger Firma Schneemechler restauriert. Finanziert wurde das Projekt durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt, die Kirchengemeinde, den Kirchenkreis, die Landeskirche und die Stadt- und Saalkreissparkasse. Es findet eine fachliche Begleitung durch die Kunsthochschule Erfurt, das Institut für Diagnostik und Konservierung an Denkmalen in Sachsen und Sachsen-Anhalt sowie das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Halle statt. Über die Restaurierung der Chorfenster ist die Gemeinde froh. Geplant ist auch schon die Wiederherstellung der Fenster im Kirchenschiff.