Psychische Belastung durch Lockdown Psychische Belastung durch Lockdown: Psychologin aus Halle gibt Tipps für den Alltag

Halle (Saale) - Der Lockdown zerrt an den Nerven: keine Partys, keine Restaurant- oder Barbesuche, kein Fitnessstudio zum Ausgleich. Stattdessen: Kontaktverbote und Isolation - mitten im tristen Herbst. Was passieren kann, wenn November-Blues und Lagerkoller aufeinandertreffen und welche Tipps es gibt, um die Ausnahmesituation möglichst angst- und stressfrei zu überstehen, sagtt Annegret Wolf, Psychologin an der Uni Halle.
Lockdown bringt Herausforderungen mit sich
Der Mensch ist ein soziales Wesen. Er hat ein Bedürfnis nach Nähe und Gruppenzugehörigkeit. Kann er diese Bedürfnisse nicht stillen, mit persönlichen Gesprächen bis hin zu Umarmungen, sind Probleme vorprogrammiert. Welche dabei in einem Lockdown entstehen, hänge von den konkreten Maßnahmen ab. „Je stärker sie in den Alltag eingreifen, desto stärker sind die psychologischen Kollateralschäden“, sagt Psychologin Annegret Wolf.
So bringt der Lockdown einige Herausforderungen mit sich: Zum einen, so Wolf, fallen die externen Zeitgeber weg. Wöchentliche Rituale, wie Sport, das Treffen in der Bar oder der Weg zur Arbeit strukturieren im Normalfall unseren Alltag. „Durch Maßnahmen wie Home Office werden wir jetzt gezwungen, unseren Alltag neu zu strukturieren und erfinderisch zu werden.“ Zum anderen sind wir die meiste Zeit zu Hause und damit auf engstem Raum ohne viel Rückzugsmöglichkeiten.
Psychischen Problemen im Lockdown vorbeugen - verlorenen Alltag künstlich herzustellen
„Das ist ein enormer Dampfkessel“, sagt Annegret Wolf. Der „Lagerkoller“, also das Gefühl, eingeengt zu sein, führe zu einer enormen Gereiztheit, die zum Ausbruch kommen kann. Die „dunkle Jahreszeit“ kann diese Probleme noch verstärken. Durch Lichtmangel wird das Schlafhormon Melatonin stärker ausgeschüttet, wir fühlen uns antriebslos, müde und niedergeschlagen. Glückshormone werden dafür weniger ausgeschüttet.
Doch es gibt Möglichkeiten, den psychischen Problemen im Lockdown vorzubeugen. Ein guter Weg sei es, den verlorenen Alltag künstlich herzustellen, sagt Psychologin Wolf. Dazu gehören zum Beispiel feste Zeiten, zu denen wir aufstehen und schlafen gehen. Auch ein kurzer Spaziergang am Morgen könne helfen, den entfallenen Arbeitsweg im Home Office zu kompensieren. Nicht zu unterschätzen sei auch die Körperhygiene für das eigene Wohlbefinden: „Man kann sich auch im Home Office mal schick machen“, sagt Annegret Wolf.
Psychologin rät sich auf die Pflege einzelner Freundschaften zu konzentrieren
Gegen den Lichtmangel im trüben November empfiehlt die Psychologin eine Tageslichtlampe. Diese helfen, den normalen Lichtrhythmus zu suggerieren und werden auch in der Lichttherapie gegen Winterdepression eingesetzt. Ansonsten gelte auch hier: durch Spaziergänge im Freien die positiven Effekte der frischen Luft mit den wenigen vorhandenen Sonnenstrahlen kombinieren und das beste rausholen.
Entscheidend sei es, nicht den Kopf in den Sand zu stecken. „Wir müsse nicht alle sozialen Beziehungen aussetzen“, so Wolf. Statt eines „social distancing“ plädiert die Psychologin für den Begriff des „physical distancing“. „Wir können uns jetzt auf die Pflege einzelner Freundschaften konzentrieren, auch wenn es mit 1,5 Meter Abstand ist“, so Wolf. Bei sozialen Beziehungen komme es nämlich nicht auf die Quantität, sondern auf die Qualität an. (mz)