Prozess in Halle Prozess in Halle: Hat Betreuer ein Ehepaar um 42.000 Euro erleichtert?

Halle (Saale) - Eigentlich sollte der Petersberger für ein altes Ehepaar eine Unterstützung sein, sollte bei Behördengängen helfen und den Papierkram im Blick behalten. Stattdessen soll der 50-Jährige seine Befugnisse als gerichtlich bestellter Betreuer für einen Senior lieber genutzt haben, um mit dessen Vermögen Schulden zu begleichen, seine ADAC-Mitgliedschaft zu bezahlen und Online-Datingseiten zu besuchen. Mehr als fünf Jahre lang soll er über 42.000 Euro von dem Konto des Seniors, über das er Verfügungsgewalt hatte, für sich selbst und seinen Sohn abgezweigt haben. Nun muss er sich vor dem Amtsgericht Halle wegen gewerbsmäßiger Untreue in 94 Fällen verantworten.
Die mögliche Untreue fiel auf, als das ältere Ehepaar 2014 in ein Pflegeheim ziehen musste. Der Angeklagte soll kurz darauf einen Antrag an das Sozialamt gestellt haben, die Heimkosten zu übernehmen. Das sagte die erste Zeugin. die zuständige Polizeibeamtin, am Dienstag vor Gericht. Dabei hätte das Ehepaar gut vorgesorgt. Beide hätten Geld auf ihrem gemeinsamen Konto gehabt und in Kürze würden über 30.000 Euro aus einem Bausparvertrag ausbezahlt worden. Trotzdem sei die Rechnung für den Heimplatz offen geblieben.
Angeklagter behauptete in Briefen, der Frau vor Jahren Zigtausend Euro geliehen zu haben
Stattdessen seien beim Sozialamt Briefe eingegangen, die der Angeklagte verfasst haben soll, unterschrieben von der alten Dame. Der Angeklagte behauptete darin, der Frau vor Jahren Zigtausend Euro geliehen zu haben, außerdem für Handwerkerarbeiten im Haus des Paares 16.000 Euro aus dem Bausparvertrag zu bekommen. „Das war komisch, weil der Angeklagte zu der Zeit insolvent war und gar kein Darlehen hätte vergeben können“, sagte die Zeugin. Der Verdacht liege nahe, die Dokumente seien gefälscht. Der Ortsteil, der unter den Verträgen steht, die angeblich aus 2009 stammen, existiert erst seit 2010.
Die Behörden hakten nach. Sie fanden heraus, dass der 50-Jährige gar keinen Auftrag vom Gericht hat, die Geldangelegenheiten des Paares zu übernehmen. Vollmachten gibt es trotzdem. Das Paar vertraute dem alleinstehenden Mann, der vor Jahren als Freund ihrer Nichte in ihr Leben trat. Die Rentner bauten offenbar so sehr auf ihn, dass lieber er als ihre Verwandten das Vermögen verwalten sollte.
Anklage: Ohne Wissen und Zustimmung der Rentner deren Geld für sich ausgegeben
94 Mal, so die Anklage, habe der Petersberger danach ohne Wissen und Zustimmung der Rentner deren Geld für sich ausgegeben. Er soll davon seine Kfz-Steuer gezahlt, sein Girokonto mit 10.4706 Euro aufgefüllt, 14.400 Euro auf sein Kreditkartenkonto geschafft und seinem Sohn 6.000 Euro überwiesen haben. Darüber hinaus soll er eine 1.041 Euro hohe Rechnung einer Fahrschule beglichen und sich teure Elektronik und Werkzeug für 6.484 Euro gekauft haben. Selbst für seine Partnersuche online zahlten die Senioren. Per Überweisung, Lastschrift oder im Internet: Immer wieder habe der Betreuer das Konto des Paares angegeben, statt sein eigenes zu belasten.
Schrittweise mit Überweisungen von mehreren Hunderten Euro schaffte er laut Anklage teilweise mehrfach wöchentlich Geld von deren Konto auf eines seiner elf Bankkonten. Als Verwendungszweck habe er „Auslagen“ angegeben oder „Weihnachtsgeld“. Nachdem das Rentnerpaar 2014 ins Pflegeheim zog, wohnte der Angeklagte sogar einige Monate im Haus der beiden. „Ich erinnere mich, dass er einmal 80 Euro Miete gezahlt hat“, so die Zeugin.
Der Angeklagte selbst schwieg zu allen Vorwürfen. Weil der nächste mögliche Verhandlungstermin beim Amtsgericht erst im Frühjahr frei wird, muss die Verhandlung ausgesetzt werden. Dann muss der Prozess laut Gesetz von vorn beginnen. (mz)
