Prozess gegen pädophilen Straftäter aus Brachwitz Prozess gegen pädophilen Straftäter aus Brachwitz: "Von Justiz und Rechtsstaat belogen"

Halle (Saale) - Vor dem Landgericht Halle ist am Dienstag mit großem Medieninteresse der Prozess gegen einen vorbestraften mutmaßlich pädophilen Straftäter fortgesetzt worden. Der Mann aus Süddeutschland, der bereits eine sechsjährige Haftstrafe abgesessen hatte, war im Jahr 2018 nach Brachwitz (Stadt Wettin-Löbejün) neben einen Kindergarten gezogen und hatte damit Anwohnerproteste ausgelöst.
Nun wird ihm vorgeworfen, zwischen Sommer 2018 und April 2019 mehrfach drei Kinder in Halle missbraucht zu haben, indem er an Flüssen, Seen und einer Kundentoilette eines Supermarktes Oralverkehr mit ihnen gehabt und ihnen Kinderpornos gezeigt haben soll. Einen weiteren damals 13 Jahre alten Jungen habe er zusehen lassen. Allein der Umgang mit Kindern war dem Mann verboten.
Viele Anwohner fühlen sich nun „von der Justiz und dem Rechtsstaat belogen“
Der Fall hat auch deshalb Betroffenheit ausgelöst, weil besorgte Eltern damals auf einer Einwohnerversammlung von Justiz und Polizei beruhigt worden waren. Sie müssten sich keine Sorgen um ihre Kinder machen, weil der Mann betreut werde sowie regelmäßige Polizeistreifen im Ort seien.
Viele Anwohner fühlten sich nun „von der Justiz und dem Rechtsstaat belogen“, wie es eine Anwohnerin formulierte, die als Zuschauerin gekommen war. Für die Dauer der Verhandlung hatte sie sich freigenommen und werde über deren Ergebnis andere Anwohner informieren.
Auch Bürgermeisterin nicht über mutmaßliche Vergehen informiert
Auch Wettins Bürgermeisterin Antje Klecar war zur Verhandlung gekommen. Auch sie hatte damals versucht, die Situation zu beruhigen. Nun fühlt sie sich von der Justiz „alleingelassen“, wie sie der MZ sagte. Man habe ihr versichert, sie auf dem Laufenden zu halten, wenn es Probleme mit dem neuen Einwohner geben würde. Doch niemand habe sie über seine mutmaßlichen Vergehen informiert.
Auch in Gesprächen mit der Polizei habe man sie bis zuletzt im Glauben gelassen, alles sei in Ordnung. Die strengen Auflagen des Mannes, in denen auch stehen soll, dass er sich nicht in der Nähe von Kindergärten niederlassen darf, seien nicht zu ihr durchgestellt worden. Ansonsten hätte man dem Umzug des Angeklagten an diesen Ort in Brachwitz von vornherein widersprechen können.
Polizisten berichten, wie sie auf den Angeklagten aufmerksam wurden
Obwohl für Dienstag, den dritten Verhandlungstag, eine Aussage des Angeklagten geplant war, schweigt er weiter zu den Vorwürfen. „Mein Mandant hat mich gestern angerufen und mir mitgeteilt, dass er entgegen unseres Planes nicht aussagen wird“, so sein Verteidiger. Dafür berichteten nacheinander sechs Polizisten, die mit dem Fall befasst waren, wie sie auf den Angeklagten aufmerksam wurden.
Demnach habe der Vater eines Opfers an einem Abend im April 2019 die Polizei verständigt, weil sein Sohn nicht nach Hause gekommen sei. Schließlich sei er doch gekommen - allerdings ohne Schulranzen. Den habe er beim Angeklagten gelassen, um mit ihm eine Fahrradtour zu unternehmen. Am nächsten Tag sei der Junge wieder mit Ranzen nach Hause gekommen, woraus die Polizisten schlossen, dass er wieder Kontakt mit dem Angeklagten gehabt haben muss. Der durfte sich wegen seiner Auflagen Kindern jedoch nicht nähern, was das Verfahren ins Rollen brachte.
Prozess wird Ende November fortgeführt
Bei einer Befragung des Jungen in der elterlichen Wohnung habe er sich den Polizisten anvertraut und verraten, dass es bei ihm und seinen Kumpels „zu mehr als nur Besuchen“ beim Angeklagten gekommen sei. Anschließend hatte der Junge den Beamten Tatorte gezeigt und „flüssig, ohne Widersprüche und glaubhaft“ von den sexuellen Kontakten berichtet, wie es ein Polizist schilderte. Der Prozess wird Ende November fortgeführt. Für diesen Termin hat der Angeklagte - schon wieder - eine Aussage angekündigt. (mz)