Platznot an Grundschule in Halle-Neustadt Platznot an Grundschule in Halle-Neustadt: Eltern fordern eine Obergrenze für Schüler

Halle (Saale) - Kein Platz zum Lernen, zu wenig Lehrer zum Lehren. Zwei alarmierende Probleme zerreiben die Grundschule „Rosa Luxemburg“ in Halle-Neustadt. Eltern haben Sorge, dass ihre Kinder aufgrund der Zustände es auf weiterführenden Schulen einmal schwerer haben werden als andere.
Platzmangel an der Rosa-Luxemburg-Grundschule in Halle (Saale): Kinder lernen hier wie die Ölsardinen
Angefangen hatte alles mit dem Umzug vom Schulgebäude nebenan in den Kindergartenbau. Die Räume dort sind viel kleiner. Kurz darauf wurde das Einzugsgebiet der Schule verändert, so dass mehr Kinder neu eingeschult worden sind. Spätestens dann war zusammenrücken angesagt. Als 2015 zusätzlich Flüchtlingskinder in die Klassen kamen, war das Chaos perfekt. Seither lernen die Grundschüler wie die Ölsardinen. In die eigentlich für 80 Kinder ausgelegte Schule gehen heute 200.
Das hat teils skurrile Folgen: Will ein Kind von der Fensterreihe auf Toilette, müssen alle aufstehen und Tische rücken. An den Fenstern können nur sehr schlanke Kinder sitzen und wenn Ranzen im Gang stehen, kommt der Lehrer nicht mehr bis zur hinteren Bankreihe. Im Schnitt hat ein Schüler 1,6 Quadratmeter Platz.
Platzmangel an der Rosa-Luxemburg-Grundschule in Halle (Saale): Eltern fordern jetzt eine Obergrenze
Nun fordern die Eltern der Grundschüler eine Obergrenze – nicht für Flüchtlinge – sondern für die Klassenräume. Maximal 18 Kinder pro Klasse seien optimal. „Sonst ist allein die Luft in den Räumen ist einfach übel“, sagt Elternsprecherin Claudia Bock. Kein Wunder bei 24 Schülern und einem Lehrer auf durchschnittlich 40 Quadratmetern. „Das ist wie ein Brutkasten, die Kinder sind natürlich häufiger krank“, so Bock.
Die Eltern bemerken außerdem, dass die Kinder häufiger buchstäblich aneinandergeraten, weil sie den ganzen Tag so eng zusammengepfercht sind. Umso dringender fordern sie: Obergrenze, Jetzt! Aber so einfach ist es nicht: Sollen weniger Kinder in den Räumen unterrichtet werden, müssten mehr Klassen gebildet und mehr Lehrer bereitgestellt werden. Aber an denen mangelt es.
Probleme an der Rosa-Luxemburg-Grundschule in Halle (Saale): „Fällt ein Lehrer aus, bricht das Kartenhaus zusammen.“
„Auf dem Papier haben wir neun Lehrer für neun Klassen“, sagt Elternratsvorsitzender und Mitgründer des Fördervereins, Maik Steiner. „Fällt ein Lehrer aus, bricht das Kartenhaus zusammen.“ Und Ausfälle gibt es oft.
Einige Lehrer sind langzeitkrank, Förder- und Sprachlehrer fehlen derzeit komplett. Jeden Monat gibt es mehr als 200 Ausfall- oder Vertretungsstunden. Steiner ältester Sohn hätte in diesem Schuljahr zusammengerechnet etwa vier Wochen gar keinen Unterricht gehabt. Ein halbes Jahr hatte die Klasse seines Sohnes keinen festen Klassenlehrer, Vertretungen so gut wie täglich. „Aus Elternsicht ist jede Stunde ohne den eigenen Klassenlehrer eine Ausfallstunde“, sagt Steiner.
Denn selbst wenn Vertretungsunterricht stattfinde, sagt er, gebe es Reibungsverluste. „Ist doch klar, dass die Vertretung nicht nahtlos anknüpfen kann.“ Er übt deshalb jeden Tag mit seinen Jungs. Der Große soll doch aufs Gymnasium.
Probleme an der Rosa-Luxemburg-Grundschule in Halle (Saale): Kinder, die kein Deutsch verstehen, haben keine Wahl, als einfach ihre Zeit abzusitzen
Schulleiterin Corina Kups muss sich jeden Tag aufs Neue ausdenken, wie sie den Mangel managt. Eine mögliche Notlösung ist, eine Klasse auf die anderen aufzuteilen. Dann lernen 29 statt 24 Kinder auf 40 Quadratmetern. Mutter Sindy Ebensing sieht unter derartigen Umständen „den Bildungsauftrag gefährdet“.
Das offene Bildungskonzept könne so nicht umgesetzt werden. „Gruppenarbeit zum Beispiel ist ja gar nicht möglich in den kleinen Räumen mit so vielen Schülern“, sagt sie. Es fehlten Förderlehrer, Sozialmitarbeiter und Sprachlehrer. Kinder, die kein Deutsch verstehen, haben keine Wahl, als einfach ihre Zeit abzusitzen. Ebensing hat das Gefühl, die Lehrer würden mit den Problemen alleingelassen. „Ich habe Hochachtung vor den Lehrern, die machen wirklich das Beste draus“, sagt sie.
Probleme an der Rosa-Luxemburg-Grundschule in Halle (Saale): 2018 soll es zwar mehr Räume geben, Lehrer fehlen dann aber immer noch
Am Ende verharren neun Lehrer, 200 Kinder und deren Eltern zwischen den Zuständigkeiten von Stadt und Schulamt im Ist-Zustand. Im kommenden Jahr lässt die Stadt den Kindergartenbau sanieren. Größer werden die Räume dabei zwar nicht, aber es werden wieder Räume nutzbar, die zur Zeit wegen Brandschutzmängeln nicht für den Unterricht freigegeben sind.
„Aber was nützen uns die Räume, wenn es am Ende keine Lehrer gibt, die unterrichten könnten“, fragt Steiner. Zumindest ein kleinen Hoffnungsschimmer hat die Stadt auf den Schulhof gestellt: Die Grundschule hat ein neues Klettergerüst bekommen. Das Geld dafür hatte der Förderverein 2016 gesammelt. (mz)