Petra Bratzke - Chefin der Agentur für Arbeit Halle Petra Bratzke - Chefin der Agentur für Arbeit Halle: Feinde? Gehören dazu.

Halle (Saale) - Schon mal was von der Mondkurve gehört? Unwahrscheinlich, denn der kleine Hügel am Galgenberg ist so etwas wie Petra Bratzkes Geheimtipp. „Das war früher unser Treffpunkt zum Schlittenfahren“, sagt sie. „War selbstverständlich höchst gefährlich, damals.“
Damals - das heißt zu Grundschulzeiten. Den Galgenberg hat sich Petra Bratzke als Treffpunkt für den Fototermin mit der Zeitung ausgesucht. Am Ort ihrer Kindheit gibt es viele Geschichten zu erzählen - und wer Bratzke kennt, weiß: Kommt sie einmal ins Reden, ist sie schwer zu stoppen.
Vor 25.000 Menschen auf dem Leipziger Augustusplatz reden
Rhetorik ist eine ihrer Stärken. Und ein Puzzleteil, mit dem sich ihr Aufstieg zur Chefin der Agentur für Arbeit Halle erklären lässt. „Auf all meinen Posten musste ich reden, das kann man irgendwann“, sagt die 59-Jährige. So wie damals, in den 80er Jahren, als die frisch promovierte Volkswirtschaftlerin an der Universität Halle dozierte. „Da hast du in der Regel 20 Studenten vor dir; die sind nicht gerade einfach.“ Wer sich nicht mit einem Schuss Sprachgewalt durchsetzen kann, geht unter. Oder später, ab dem Jahr 1991, als die damals 36-Jährige Abteilungsleiterin im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) wurde: „Es war die Treuhand-Zeit, es gab Massenentlassungen. Wir flankierten mit unserer Arbeit die Privatisierungen.“ Regelmäßig sprach sie vor Belegschaften, vor 25.000 Menschen hielt sie eine Rede auf dem Leipziger Augustusplatz.
Ratschläge von Reinhard Höppner
Es war die Zeit, in der sich Petra Bratzke einen Namen in der Landespolitik machte. Und sie lernte die Mechanismen der Macht kennen. Ein DGB-Kollege schenkte ihr ein Buch von Niccolò Machiavelli - dem mittelalterlichen Philosophen, der das Standardwerk zur klugen Fürstenherrschaft schrieb.
Ihr Ruf als harte Verhandlungsführerin blieb - unter anderem bei einem Ministerpräsidenten Sachsen-Anhalts. „Der Höppner hat gesagt, ich soll nicht immer so ruppig sein.“ Gemeint ist Reinhard Höppner - Bratzke verzichtet auf Vornamen, wenn sie im Redefluss ist. Fachlichen Konfrontation geht sie nicht aus dem Weg. Frau Bratzke, haben Sie sich Feinde gemacht in Ihrer Karriere? „Bestimmt. Aber ich weiß nicht, ob es wirklich noch Leute gibt, die mir heute grollen.“
Gut gepflegtes Kontaktnetz
Nun ist sie Chefin. 2004 bewarb sie sich erfolgreich auf den Spitzenposten der Agentur für Arbeit in Dessau, 2010 wechselte sie als Agentur-Leiterin nach Halle. „Auch in dieser Position ist es so, dass man es nicht allen Mitarbeitern Recht machen kann. Chef-Sein ist nicht immer komfortabel.“ Aber darum dürfe es nicht gehen.
Mittlerweile lebt sie wieder im Paulusviertel, in der Albert-Schweitzer-Straße. „Halle habe ich nie den Rücken gekehrt, selbst als ich in Dessau gearbeitet habe“, sagt sie. Ihre Begeisterung zur Heimatstadt hat sie nie verloren, und: Als Leiterin der Arbeitsagentur ist sie heute vernetzt wie nur wenige Akteure in der Stadt. Täglich schüttelt sie Hände mit Politikern, Firmen-Bossen, Universitäts-Größen.
Zurückschrauben der Langzeitarbeitslosigkeit
Dieses Kontaktnetz soll auch bei der Bewältigung der Mammut-Aufgabe helfen, mit der hallesche Agentur-Chefs seit jeher kämpfen: Das Zurückschrauben der Langzeitarbeitslosigkeit. 82 Prozent der Menschen ohne Job fallen in diese Kategorie - eine Prozentquote, die seit Jahren beinahe unverändert bleibt. Ein Kampf gegen Windmühlen? „Jein“, antwortet Bratzke. „Es gibt Stellschrauben, an denen wir drehen können. Wir versuchen es mit verstärkter Betreuung.“
Trotz schwierigen Arbeitsmarktes: Ihre Leidenschaft für Halle hat die dreifache Mutter an ihre Kinder weitergegeben. Die beiden Söhne, 33 und 36 Jahre alt, kehrten nach ihren Studienjahren in Konstanz, Leipzig, Bologna wieder an die Saale zurück. Ihre Tochter ist 17, hat gerade das Abitur am Thomas-Müntzer-Gymnasium abgelegt. „Als sie noch kleiner war, haben wir viel Zeit am Galgenberg verbracht“, sagt Bratzke. Damals dürfte auch das Familiengeheimnis um die Mondkurve weitergegeben worden sein. (mz)