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Obdachloser aus Halle erzählt Obdachlose in Halle: Maik (40) aus Halle floh als Kind vor seinem Vater

Von Dirk Skrzypczak 26.01.2019, 11:01
Maik aus Halle lebt seit vielen Jahren auf der Straße.
Maik aus Halle lebt seit vielen Jahren auf der Straße. Dirk Skrzypczak

Halle (Saale) - Maik hält die dampfende Kaffeetasse zwischen den Händen. Der 40-Jährige wärmt sich am Mittwochmorgen in der Bahnhofsmission auf. Draußen sind es minus acht Grad Celsius. „Ich habe fast mein ganzes Leben auf der Straße gelebt, schon in Mülltonnen geschlafen. Bei diesem Wetter ziehst du alles an, was du hast und hoffst, dass du die Nacht überlebst“, sagt der Hallenser, der im Rollstuhl sitzt. Seit 26 Jahren ist er fast täglich Gast in der Bahnhofsmission. „Die Frauen, die sich hier um uns kümmern, sind Engel“, sagt er.

Es gibt keine Zahlen, wie viele Menschen in Halle obdachlos sind

Wie viele Menschen in Halle obdachlos sind, weiß keiner. „Statistische Daten darüber werden nicht erhoben“, sagt die Beigeordnete für Soziales, Katharina Brederlow. Doch es gibt Anhaltspunkte. „Pro Tag kommen zwischen 50 und 70 Personen zu uns in die Bahnhofsmission“, erzählt Mitarbeiterin Marlies Lang.

Manchen sehe man an, dass sie keine Wohnung haben, anderen nicht. Zu den Gästen, die zwischen 8 und 19.30 Uhr ein warmes Plätzchen und eine Mahlzeit suchen, gehören aber auch Rentner und Sozialhilfeempfänger, die sich das Alltagsleben ohne Hilfe nicht leisten können.

„Viele nehmen sich einen Stuhl, lehnen sich an die Wand und schlafen. Wer reden will, dem hören wir zu. Alle anderen lassen wir in Ruhe“, sagt Lang, stellvertretende Leiterin der Bahnhofsmission. Eine Tasse Kaffee kostet hier 50 Cent, Tee ist kostenlos.

Schlafplätze im Notquartier sind heiß begehrt - und werden täglich neu vergeben

„Wer Zuflucht sucht und keine Wohnung hat, dem stehen im Haus der Wohnhilfe 151 Plätze zur Verfügung, weitere 28 im Notquartier“, sagt Brederlow. Beide Einrichtungen werden durch die Stadt finanziert. Das Haus der Wohnhilfe ist von 8 bis 16 Uhr geöffnet, das Notquartier von 16 bis 8 Uhr.

Die gerade an eisigen Wintertagen begehrten Plätze im Notquartier werden täglich neu vergeben. Neben den städtischen Häusern und der Bahnhofsmission können sich Obdachlose auch in der Wärmestube der Stadtmission oder am Elisabeth-Tisch im Elisabeth-Krankenhaus aufwärmen. Hier erhalten Bedürftige auch eine warme Mahlzeit.

Auch in den Filialen der Saalesparkasse übernachten Obdachlose häufig

Obdachlose suchen zudem immer wieder Schutz in den SB-Foyers der Banken mit ihren Geldautomaten. „Nach unseren Erkenntnissen muss in Halle niemand auf der Straße schlafen, weil es genügend Notangebote gibt“, sagt Jürgen Fox, Chef der Saalesparkasse.

In der Vergangenheit habe es immer wieder Probleme mit Obdachlosen gegeben, die Kunden belästigten und die Räume vermüllten. „Auch mir wurden Schläge angedroht, als ich mit den Leuten reden wollte“, sagt Fox. Bei extremer Kälte, wie es sie Halle derzeit nachts erlebt, drückt die Saalesparkasse aber ein Auge zu. „Wir schicken keinen Wachschutz rum“, sagt Fox.

Maik, der nach eigenen Worten als Neunjähriger vor seinem Vater floh und sich Jahrzehnte auf der Straße durchschlug, hat gute Manieren. Er räumt sein Geschirr in der Bahnhofsmission weg, ist freundlich und hilft den ehrenamtlichen Mitarbeitern der Mission, Kleiderspenden anzunehmen. Mittlerweile hat er auch wieder eine Wohnung als Zuflucht vor der Kälte gefunden. (mz)