OB-Kandidat Andreas Silbersack OB-Kandidat Andreas Silbersack: Ein Winzer im "Nahkampf"

Halle (Saale) - In der großen, gemütlichen Wohnküche springen sie sofort ins Auge, die vielen Fotos an den Wänden. Es sind Aufnahmen von der Familie, von Freunden. „Die Familie ist die Grundlage von allem. Das habe ich im Blut. Wir haben drei Kinder. Etwas Wunderbareres gibt es nicht“, sagt Andreas Silbersack.
Er macht einen Kaffee und lässt das Frühstück weg: Intervallfasten für die Gesundheit. Dabei braucht er doch alle Körner im anstrengenden Wahlkampf, Energie für die Wechselstimmung, die er erzeugen will. Anstrengend? „Es macht Spaß. Ich habe genügend Puste“, sagt der 51-Jährige und wird poetisch: „Nur wer selbst brennt, kann auch das Feuer tragen.“
„Mir ist wichtig, dass die Menschen sehen, wer ich bin und wie ich ticke“
Vor allem den Mitgliedern an der CDU-Basis hatten die Flammen bei dem FDP-Politiker lange Zeit nicht hell genug für die gemeinsame Kandidatur gelodert. „Natürlich hat mich das geärgert. Die Selbstwahrnehmung ist eben oft anders als die Sicht der anderen“, sagt Silbersack. Schließlich würden auch immer noch viele Hallenser denken, dass er aus dem Westen komme.
„Dabei bin ich ein glühender Hallenser. Mir ist wichtig, dass die Menschen sehen, wer ich bin und wie ich ticke. Und so trete ich im Wahlkampf auch auf.“ Im direkten Gespräch ist Silbersack in seinem Element. Als guter Rhetoriker kann er im „Nahkampf“ Menschen um den Finger wickeln.
„Es herrschte Endzeitstimmung.“
Es sind die Begegnungen im Leben, die seit Jahrzehnten die Fäden im Leben des Anwalts ziehen - beruflich wie bei der Vielzahl der hochdekorierten Ehrenämter. Vor 30 Jahren war er mit einem Kumpel nach Ungarn geflohen. „Es herrschte Endzeitstimmung. Ich habe das nicht mehr ausgehalten. Es war schlimm, sich von den Eltern zu verabschieden und nicht zu wissen, ob ich sie je wiedersehen werde.“ Drei Wochen lebte der damals 21-Jährige bei einer fremden Familie in den Bergen oberhalb von Budapest, kam dann über Passau und diverse Aufnahmelager bis nach Bonn.
Hier studierte er Jura und kehrte 1994 nach Halle zurück. Seit 1997 ist er Chef einer Anwaltskanzlei. Silbersack sieht sich selbst als Teamplayer - das gilt für den Beruf wie für das Ehrenamt. „Ich muss nicht jede Akte lesen. Wichtig ist es, Menschen auch Verantwortung zu übertragen. Sonst wäre das Pensum nicht zu schaffen.“
„Ich war ein glühender Fan von Willy Brandt und Helmut Schmidt.“
Dass es ihn politisch zu den Liberalen zog, ist bei seinem Familienstammbaum durchaus überraschend. Die Silbersacks sind eigentlich Sozialdemokraten. Und als der OB-Kandidat noch zur Schule ging, schaute er im Westfernsehen die Bundestagsdebatten. „Ich war ein glühender Fan von Willy Brandt und Helmut Schmidt.“
Andreas Silbersack kam 1967 in Halle zur Welt. Hier legte er das Abitur ab und entdeckte seine Leidenschaft für den Handball. Mit Dynamo Halle-Neustadt schaffte er es bis in die Junioren-Oberliga der DDR. Nach der Militärzeit, der Flucht über Ungarn 1989 in den Westen und der Rückkehr nach Halle hat sich der heute 51-Jährige ein dichtes Netzwerk im Beruf und im Ehrenamt geschaffen. Silbersack ist Vizepräsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, Präsident im Landessportbund (das Amt will er im Herbst abgeben), Vorstandsvorsitzender beim USV Halle, Vorstands-Chef des Trägervereins des Olympiastützpunktes Sachsen-Anhalt, Vizepräsident von Special Olympics Deutschland und Aufsichtsratsvorsitzender der Winzervereinigung Saale-Unstrut. Silbersack ist seit 20 Jahren verheiratet und hat drei Kinder.
Eingetreten ist er aber in die FDP, „weil der liberale Gedanke meinem Wesen entspricht“. Und da er als Winzer und Besitzer von zwei Weinbergen nicht „mit dem Glas Rotwein im Hinterzimmer sitzen und über die Politik meckern“ wollte, zieht es ihn auf die große politische Bühne. Bei Landtags- und Bundestagswahlen ist er schon für die FDP angetreten. Jetzt will er den Ratshof stürmen, wie er sagt.
„Hätte meine Frau nein gesagt, wäre die Angelegenheit erledigt gewesen.“
Ohne die Rückendeckung der Familie hätte er nicht kandidiert. „Diese Entscheidung treffen wir zusammen. Hätte meine Frau nein gesagt, wäre die Angelegenheit erledigt gewesen.“ 1992 lernte er seine Yvette über den Handball kennen. Sie ist der Ruhepol in seinem Leben, die Managerin zu Hause. Und da sind noch die drei Söhne, mit denen er so viel Zeit wie möglich verbringt.
Eine besondere Beziehung hat die Familie zu Viktor, dem Jüngsten in der verschworenen Gemeinschaft. Er leidet am Down-Syndrom. Silbersack spricht von einer Bewusstseinsänderung, die die Behinderung seines Sohnes bei ihm ausgelöst habe. „Du siehst alles plötzlich mit anderen Augen. Es ist unglaublich, wie viel Empathie und Liebe er uns zurück gibt.“ Und das, so Silbersack, zähle wirklich im Leben.
Zehn Fragen an den Kandidaten:
1. Was ärgert Sie an sich selbst?
Silbersack: Mein handwerkliches Ungeschick
2. Welche Ihrer Vorzüge werden kaum wahrgenommen?
Silbersack: Mein Einsatz für Geistig- und Mehrfachbehinderte
3. Was bringt Sie zur Verzweiflung?
Silbersack: Betriebsanleitungen
4. Welche Person der Geschichte ist Ihnen sympathisch?
Silbersack: Udo Lindenberg
5. Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen?
Silbersack: Nachtzug nach Lissabon von Pascal Mercier
6. Was ist Ihr Lieblingsgericht?
Silbersack: Kartoffelbrei mit gebratenen Zwiebeln
7. Welchen privaten Traum möchten Sie sich noch erfüllen?
Silbersack: Zu erleben, wie mein Sohn Viktor ein eigenständiges Leben führt.
8. Was ist für Sie Glück?
Silbersack: Familie
9. Worüber haben Sie zuletzt gestaunt?
Silbersack: Über die Leistungsentwicklung des HFC
10. Was würden Sie gern können?
Silbersack: Neben der englischen Sprache ein wenig Russisch und auch Spanisch
(mz)