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Neuer Zorn-Roman von Stephan Ludwig Neuer Zorn-Roman von Stephan Ludwig: Ein Hafen ohne Schiffe

Von Alexander Schultz 25.11.2015, 11:24
Mit Zorn zum Erfolg: Stephan Ludwig
Mit Zorn zum Erfolg: Stephan Ludwig Alexander Schultz Lizenz

Halle (Saale) - „Irgendwas fehlt“, sagte Zorn. „Was denn?“, fragte Schröder. (…) „Ich bin kein Profi, aber müssten hier nicht diese Dinger sein, diese“, er schnippte mit den Fingern. (…) „Ich hab“s.“ „Ja?“, fragte Schröder. „Schiffe.“ (…) „Weit und breit kein Schiff.“

Der hallesche Hafen gilt als wirtschaftspolitisches Trauerspiel. Millionen Euro wurden investiert, Schiffe aber sieht die Anlage kaum. Für den Bestsellerautor Stephan Ludwig der ideale Platz, hier den fünften Fall der Kommissare Zorn und Schröder spielen zu lassen.

Dreieinhalb Jahre nach dem Erscheinen seines ersten Buches hat sich einiges verändert. Die Kritik ist begeistert, die Krimileserschaft noch mehr. Ludwig hat sich und seiner Heimatstadt, die am Rentenabgang ihrer Fernsehermittler Schmücke und Schneider zu knabbern hatte, eine erfolgreiche modernere Marke geschaffen. Mit deutschlandweiter Strahlkraft.

Knapp 300.000 Exemplare seiner vier Bücher wurden verkauft, mehr als 13 Millionen Fernsehzuschauer sahen die drei bislang ausgestrahlten Filme zur besten Sendezeit in der ARD. Die Verfilmung des vierten Buches durch Oscar-Preisträger Jochen Alexander Freydank ist bereits im Kasten. Ludwigs Zorn gehört zu Halle. Und Zorn gehört zur deutschen Krimilandschaft.

Harte Probe für die Fans

Nun das fünfte Buch, was eingefleischte Fans auf eine harte Probe stellt. Denn „Zorn – Kalter Rauch“ ist anders. Durften und mussten sich die Leser bislang auf jede Menge Morde einstellen - meist subtil, aber immer brutal - lässt es der Autor in seinem neuem Buch deutlich sanfter zugehen. Gewalt spielt sich diesmal zumeist psychologisch ab und sorgt dennoch für die nötige Spannung.

Ein künstliches Hüftgelenk wird gefunden. Es gehört zu einer Frau. Doch Donata Zettl ist verschwunden. Auch ihr Mann Gregor, ein in Selbstmitleid ertrinkender, ehemals erfolgreicher Popsänger, ist den beiden Ermittlern Zorn und Schröder keine Hilfe. Diese haben eh andere Probleme. Claudius Zorn soll Vater werden, lebt aber von der werdenden Mutter getrennt.

Zudem kämpft er mit seiner neuen Rolle, nicht mehr Chef im Zweierteam zu sein, wurde ihm doch sein Assistent Schröder vor die Nase gesetzt. Und auch dieser hat schwer zu kämpfen - am Tod seiner geliebten Eltern und an der Rolle als neuer Chef, die die Zusammenarbeit mit Zorn nicht unbedingt einfacher macht. Aber emotionaler.

Die Geschichte um das wunderbare Ermittler-Duo wird vom Hallenser Ludwig akribisch weitergeschrieben. Der faule wie kauzige Zorn, der sich so erfrischend von den vielen überambitionierten Kommissaren aus Literatur und Fernsehen abhebt, und sein immer fleißiger wie aufgeweckter Ex-Assistent haben die Seiten getauscht. Mit vorprogrammierten zwischenmenschlichen Konflikten, die Ludwig liebevoll ausschlachtet.

Psychologie und Raffinesse

Unterdessen leidet Gregor Zettl unter unangenehmem Besuch. Nicht seine verschwundene Frau, sondern eine penetrante Bekannte, ein geheimnisvoller Fremder und die beiden Kommissare stören ihn in seiner Lethargie. Was weiß er über den Verbleib seiner Frau?

Ludwig lässt sich erstmals viel Zeit bis zum ersten Todesfall. „Ich habe mich selbst gewundert, als ich beim Schreiben feststellte, dass ich solange ohne eine Leiche auskam“, entschuldigt sich der 50-Jährige. „Ich hätte natürlich zwischendurch das Rathaus in die Luft jagen können, aber ich glaube nicht, dass die Geschichte dadurch spannender geworden wäre.“ Denn das ist sein neues Buch auch ohne die sonst gewohnten großen Knalleffekte. Psychologie und Raffinesse, stets gekonnt konstruiert. Aber, nie war „Zorn“ mehr Krimi als Thriller.

Am Ludwig-typischen Drehbuch-Stil hat sich unterdessen nichts geändert. Mehrere Handlungsstränge laufen gekonnt parallel ab und lassen den Leser locker wie durch einen Film gleiten. Die pointierten Dialoge überlässt der Autor, der bereits am sechsten Buch schreibt, diesmal weniger seinen Kommissaren, als vielmehr den anderen Protagonisten, die sich zum Finale wieder am halleschen Hafen treffen. Ein Ende ohne Happy End. Ein Krimi fast ohne Leichen. Und „ein Hafen ohne Schiffe.“ (mz)

Stephan Ludwig: „Zorn - Kalter Rauch“, Fischer Taschenbuch Verlag, 416 S., 9,99 Euro

Zorn - Kalter Rauch
Zorn - Kalter Rauch
Fischer Taschenbuchverlag Lizenz