Naturschutz Naturschutz in Halle: Einheimische Flora und Fauna durch fremde Pflanzen gefährdet?

Halle (Saale) - Dem aufmerksamen Beobachter bietet sich seit Kurzem ein befremdlicher Anblick an der Elisabeth-Saale zwischen Mansfelder Straße und Hochstraße. Dort stehen viele Eschen-Ahorn-Bäume mit teilweise entfernter Rinde. Handelt es sich um ein natürliches Phänomen? Oder hat sich jemand an den Bäumen zu schaffen gemacht? War es Mensch? War es Tier? Die MZ geht diesem Mysterium nach, und findet Erstaunliches heraus.
Fast wie Gürtel wirken die etwa 30 Zentimeter hohen Ringelungen, die das Absterben der „eingewanderten“ Baumart herbeiführen sollen. Allerdings steckt hinter dieser drastischen und brutal wirkenden Methode des „Baumtötens“ nicht reine Bosheit sondern, der Schutz einheimischer Flora und Fauna. Ursprünglich kommt der Eschen-Ahorn nämlich aus Nordamerika und infiltriert seit Mitte der 90er Jahre unsere einheimischen Auenwälder.
Invasive Neophyten
Er zählt zu den invasiven Neophyten, wird also als potenziell gefährlich für unsere tier- und Pflanzenwelt eingestuft. Aufgrund seiner schnellen Fortpflanzung und seiner hohen Resistenz gegen Umweltschäden, wurde der „Amerikaner“ in der DDR häufig zur Stadtbegrünung angepflanzt. So auch in Halle-Neustadt. Nun allerdings breitete er sich in artengeschützte Gebiete aus. „Hier ist es absolut notwendig den Eschen-Ahorn zurückzudrängen“, erklärt Katrin Schneider vom unabhängigen Institut für Umweltfragen (UfU).
Immer häufiger liest und hört man über invasive Neophyten, die meist nachteiligen Einfluss auf uns und unsere heimische Flora und Fauna haben.
Viele der eingeschleppten Pflanzenarten sind sogar äußerst giftig und können schmerzende Hautreaktionen oder Allergien auslösen. Besondere Vorsicht ist bei Ambrosia und dem Riesen-Bärenklau geboten. Die Pollen der aus Nordamerika stammende Ambrosia-Pflanze können schwere allergische Reaktionen, ja sogar Asthma auslösen. Auch vom Anfassen der Blätter ist abzuraten, denn die können zu Hautreaktionen führen.
Ein weiterer gefährlicher Kandidat aus der Reihe der invasiven Neophyten ist der Riesen-Bärenklau auch bekannt als Herkulesstaude. Wer mit dem kaukasischen Gewächs in Berührung, sollte die Stellen umgehend mit Wasser reinigen und unbedingt vor der Sonne schützen. Der Pflanzensaft reagiert mit dem Sonnenlicht und verursacht schmerzhafte Geschwüre. Wer diese Pflanzen im heimischen Garten entdeckt, sollte zum Entfernen unbedingt Schutzkleidung tragen und die Pflanzenreste im Hausmüll entsorgen.
Mit bloßem Abholzen allerdings kann man dem Eschen-Ahorn, nicht zu Leibe rücken. Denn aus den Wurzelresten bildet sich innerhalb kürzester Zeit viele neue Triebe, die bereits nach zwei Jahren wieder fruchten können. Das ist auch der Grund, weshalb man hier zur erfolgversprechenderen Methode des Ringelns greift. Mit Beitel oder Ziehmesser wird rings um den Baum die Rinde entfernt, inklusive Bast. Hierbei handelt es sich um das lebende Gewebe unter der Rinde, welches für den Nährstofftransport zuständig ist. In der Regel stirbt der Baum nach ein bis drei Jahren ab und kann dann gefällt werden.
Arbeitskreis Hallesche Auenwälder
Andreas Liste vom Arbeitskreis Hallesche Auenwälder, ist im Gegensatz zur Stadt Halle oder dem Landesamt für Umwelt, kein Freund solch groß angelegter Ringelung-Aktionen. Das allmähliche Verschwinden einheimischer Pflanzen sei nämlich kein durch den Eschen-Ahorn verursachtes Problem sondern, ein hausgemachtes.
So würden im Auftrag des Wasser- und Schifffahrtsamts regelmäßig Baumfällarbeiten an den Saale-Ufern durchgeführt. Auf den so entstehenden Freiflächen reproduzieren sich die Neophyten deutlich schneller, so Liste. Das Areal zwischen Hochstraße und Mansfelder Straße soll aber, so Kerstin Ruhl-Herpertz, Leiterin des Fachbereichs Umwelt, nicht leer bleiben. Nach der Rodung wird hier wieder aufgeforstet.
Insektenbestand
Sorgen macht sich Katrin Schneider von UfU aber nicht nur um den Baum- sondern auch um den Insektenbestand des Schutzgebiets. Viele der Sechsbeiner seien nur auf eine bestimmte Pflanzenart als Nahrungsquelle geprägt. „Durch die Verdrängung unserer einheimischen Bäume, entsteht in diesem Gebiet eine ökologische Wüste“, so Schneider.
Es käme insgesamt zu einer Verarmung der schützenswerten Insektenfauna. Durch das Zurückdrängen des Eschen-Ahorns und dem Wiederaufforsten mit hier beheimateten Bäumen, versucht man das natürliche Gleichgewicht wieder herzustellen. (mz)