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Milton T. Stubbs Milton T. Stubbs: «Wo ich meinen Hut hinlege, da ist mein Zuhause»

12.08.2011, 19:58

Halle (Saale)/MZ. - Das Peißnitzhaus zur Mittagszeit. Das Wetter könnte besser sein, trotzdem herrscht im Biergarten Betrieb. Im großen Sandkasten buddeln Kinder, mehr oder weniger intensiv beobachtet von mehr oder weniger entspannten Eltern. Milton T. Stubbs, Professor für Biotechnologie an der Uni Halle, hat sich diesen Ort für das "Halle-Gespräch" mit MZ-Redakteur Peter Godazgar ausgesucht.

Was gefällt Ihnen an diesem Ort?

Stubbs: Ich komme auf dem Weg zur Arbeit immer hier vorbei. Das Schöne an Halle ist das viele Grün. Damit verbindet man die Stadt ja nun nicht gerade. Und ich muss zugeben, ich finde auch das halbverfallene Peißnitzhaus schön.

Wirklich schön ist es doch nicht? Eigentlich ist es doch ein Jammer.

Stubbs: Ja und nein. Ich war auch lange Zeit in München. Da ist immer alles picobello. In England, wo ich aufgewachsen bin, ist alles ein bisschen älter und verfallener. Vielleicht gefällt es mir deshalb hier. Für mich hat das einen gewissen Charme. Und dann kann man hier natürlich auch gut mit Kindern herkommen.

Sie sind seit 2002 in Halle. Wie kamen Sie hierher?

Stubbs: Ich war damals noch an der Uni Marburg und besuchte jemanden in Leipzig. Professor Rainer Rudolph, den ich damals schon kannte und der an der Uni Halle lehrte, sagte, ich solle doch mal bei ihm vorbeischauen. Das war, glaube ich, 1997. Aber da habe ich nicht viel von der Stadt gesehen, abgesehen vom Bahnhof und von der Hochstraße. Später bekam ich dann den Ruf hierher.

Ihre ersten Eindrücke hatten Sie also nicht geschreckt.

Stubbs: Ich bin nicht so leicht zu erschrecken (lacht).

Und was haben Ihre Freunde über den bevorstehenden Wechsel gesagt?

Stubbs: Ich hab oft gehört: Halle? Soll doch so dreckig sein, eine Chemiestadt eben. Meine damalige Frau wollte auch keinesfalls in den Osten gehen.

Spielte das Thema Ausländerfeindlichkeit in Ihren Überlegungen eine Rolle?

Stubbs: Für mich eigentlich nicht. Meine Mutter, die in England lebt, war nicht sehr glücklich über meine Entscheidung, in den Osten zu gehen. Es gab hier auch schon mal Situationen, wo ich dachte: Jetzt könnte es brenzlig werden. Aber ich glaube nicht, dass das etwas Halle-Spezifisches ist. Solche Situationen gab es auch in England. Ich muss natürlich sagen: Mein direktes Lebensumfeld ist sehr international. Das ist wahrscheinlich nicht repräsentativ.

Haben Sie sich dann schnell mit der Stadt angefreundet?

Stubbs: Oh, da muss ich überlegen. Meine erste Wohnung war im Studentenwohnheim hinter der Weinberg-Mensa, später bin ich ins Paulusviertel umgezogen. (Denkt nach.) Fand ich Halle schön? Ich fand es interessant. Das finde ich auch heute noch. Die Geschichte ist hier sehr präsent, sowohl die alte Geschichte, aber auch die neue. Ich mag auch die architektonische Vielfalt in der Stadt.

Sie hatten vermutlich sowieso nicht viel Zeit für die Stadt.

Stubbs: Stimmt, ich bin ja in erster Linie wegen der Forschung hergekommen. Beruflich war der Ruf nach Halle für mich ein Aufstieg, und auch deshalb war ich positiv gestimmt. Ich kann sagen: Der Wechsel war das Beste, was mir passieren konnte. Das Umfeld ist sehr gut. Es gibt eine wirklich gute Zusammenarbeit - und aus eigener Erfahrung weiß ich: Das ist nicht an jeder Uni so.

Sie sind viel unterwegs. Kennt man Halle im Ausland?

Stubbs: Es ist immer noch so, dass die wenigsten wissen, wo Halle liegt. Ich war letztes Jahr einige Monate in Kalifornien, da wusste man allerdings auch nicht so richtig, wo Deutschland ist.

Der Amerikaner weiß ja auch nicht, wo Afghanistan liegt. Machen Sie selbst eigentlich noch den Unterschied zwischen West- und Ostdeutschland?

Stubbs: Die Diskussion habe ich oft mit meiner jetzigen Frau geführt, einer echten Hallenserin. Meine Meinung ist: Ost- und Westdeutsche sind genau so unterschiedlich oder genauso ähnlich wie Nord- und Süddeutsche. In München sagt man wenig Gutes über den Hamburger und umgekehrt.

Aber der Münchner sagt viel Gutes über München. Mancher Hallenser sagt nur wenig Gutes über Halle.

Stubbs: Das empfinde ich auch so. Ebenso wie andere Kollegen, die aus anderen Städten kommen. Die Leute, die das größte Problem mit Halle haben, scheinen die Hallenser selbst zu sein.

Woran liegt das?

Stubbs: Ich weiß es nicht. Mein Ziel ist jedenfalls auch, Besuchern die Schönheit dieser Stadt zu zeigen. So was gibt es nicht überall. Manchmal merkt man ja auch erst hinterher, was man hatte. Ich sehe das manchmal bei meinen Studenten: Die denken, das ist überall so wie in Halle. Und erst wenn sie weggegangen sind, sehen sie, was für ein tolles Angebot sie hier hatten.

Sie haben - wie so viele Wissenschaftler - in vielen Städten gelebt. Geboren in New York, aufgewachsen in London und Sussex, Studienstationen in Oxford, Durham und Edinburgh, Stockholm, Martinsried bei München, Marburg. Wo ist Ihre Heimat?

Stubbs: Weiß ich auch nicht mehr. Vom Gefühl her ist es England. Da leben meine Mutter und meine Geschwister. Aber wenn ich dort bin, ist es wie eine Zeitreise. Ich bin ja fast ein Vierteljahrhundert in Deutschland. Wie heißt es in dem berühmten Lied: "Wherever I lay my hat, that's my home." Wo ich meinen Hut hinlege, da ist mein Zuhause.

Dann ist Halle keine Heimat. Aber ein Zuhause.

Stubbs: Ja.

Ihre beiden kleinen Kinder sind aber waschechte Hallenser. Auch schon mit halleschem Dialekt?

Stubbs: Noch nicht. Meine Kinder aus erster Ehe sind 16 und 17. Als wir in Marburg waren, haben die angefangen, hessisch zu sprechen. Grausam (lacht).

Dann schon lieber hallesch.

Stubbs:Mal sehen.