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Michael Viebig ist neuer Leiter des Roten Ochsen in Halle Michael Viebig ist neuer Leiter des Roten Ochsen in Halle: Geschichte, die bleibt

Von Sandy Schulze 25.03.2016, 09:33
Michael Viebig hat Anfang des Monats die Leitung der Gedenkstätte Roter Ochse übernommen. Sein Vorgänger André Gursky widmet sich jetzt verstärkt der Forschung zur DDR-Geschichte der früheren Haftanstalt.
Michael Viebig hat Anfang des Monats die Leitung der Gedenkstätte Roter Ochse übernommen. Sein Vorgänger André Gursky widmet sich jetzt verstärkt der Forschung zur DDR-Geschichte der früheren Haftanstalt. Silvio Kison

Halle (Saale) - Wenn Michael Viebig morgens erst um die Ecke biegt, dann am Empfang vorbeikommt und schließlich in der dritten Etage die Tür zu seinem Büro öffnet, dann ist es fast so, als würde er sich durch verschiedene Zeiten bewegen. Eine, in der er selbst noch nicht geboren war und in der sich, während des Nationalsozialismus, in dem Gebäude, wo heute sein Schreibtisch steht, eine Hinrichtungsstätte befand. Und eine weitere Zeit, in der sich Geschichte bis in die Gegenwart drängt, und Angehörige nach Jahrzehnten herauszufinden versuchen, was ihren Familienmitgliedern damals im Roten Ochsen widerfahren ist.

Nachforschungen zum Nationalsozialismus

Seit Anfang des Monats ist Michael Viebig Leiter der Gedenkstätte „Roter Ochse“. Neben neuen Aufgaben in der Gesamtverwaltung bleibt der 55-Jährige aber auch weiterhin den Aufgaben treu, die ihn seit Mitte der 1990er Jahre beschäftigt haben, als der Diplom-Historiker in das kleine Team in die frühere Haftanstalt Am Kirchtor kam, um den Grundstein für die Arbeit der Gedenkstätte zu legen.

Schon damals hatte sich Viebig, der gebürtig aus der Nähe von Kamenz stammt, auf die Geschichte des Roten Ochsen während des Nationalsozialismus konzentriert. André Gursky, der die Gedenkstätte von Beginn an leitete und sich aus gesundheitlichen Gründen zurückgezogen hat, arbeitet die DDR-Geschichte der Einrichtung auf.

„Wir sind eine ungeheuer wichtige Anlaufstelle“, sagt Michael Viebig. Wenn Verwandte Nachforschungen zur Zeit bis 1945 bei Michael Viebig anstellen, dann wird dabei oft eine Generation übersprungen. Dann sind es die Enkel, die sich an die Gedenkstätte wenden - auch weil es sich in der DDR schwierig gestaltete, an Informationen zu gelangen.

"Man wird nie fertig"

Etwa vier bis fünf Anfragen gehen bei Michael Viebig pro Monat ein: Warum wurde jemand hier eingesperrt? Wer hat ihn verraten? Und wo liegt der Verwandte begraben? „Mit der Arbeit wird man nie fertig, mit jeder Anfrage ergeben sich auch neue Fragestellungen,“ sagt Michael Viebig.

Die Forschungen zur Sozialgeschichte werden auch zur pädagogischen Vermittlung genutzt, zum Beispiel dann, wenn eine Person ausbrach und - auch auf niedriger Schwelle - Zivilcourage zeigte. Und es soll auch ein Eindruck vermittelt werden, wie Täterschaft funktionierte. „Von einer Hinrichtung hier im Nationalsozialismus wussten etwa 180 Personen“, erklärt Viebig. Denn einbezogen waren viele: Staatsanwälte und Henker, aber unter anderem auch Seelsorger, Dolmetscher und Ärzte.

Zusammenarbeit mit Schulen

Die Gedenkstätte arbeitet eng mit Schulen zusammen. Es kommen aber auch Pfadfindergruppen oder manchmal auch ein Reisebus, gefüllt mit Leuten, die einem ganz bestimmten Einzelschicksal nachgehen wollen.

„Ich bin Teil eines hervorragenden Teams“, sagt der neue Leiter der Einrichtung. Denn ohne das Engagement seiner Kollegen bliebe ihm für die Forschung viel weniger Zeit. Genauso wichtig ist es für den Familienvater aber auch, nach Feierabend von der Arbeit abschalten zu können. Insgesamt hat der Hallenser sieben Kinder. Ein Kind und Stiefkind aus erster Ehe und fünf weitere mit seiner heutigen Ehefrau, das Jüngste ist acht Jahre alt. Wenn dann zu Hause Trubel herrscht, rückt endlich die Familie ganz in den Vordergrund. (mz)