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Martin-Luther-Universität Martin-Luther-Universität: Die Erinnerungen sind immer da

Von Ines Krause 02.04.2002, 18:30

Halle/MZ. - "Nehmen Sie auch alte Knaben auf?" Mit dieser ungewöhnlichen Frage wandte sich der 80-jährige Prof. Wolfgang Lorenz vor reichlich einem halben Jahr an seine einstige Wirkungsstätte, die Martin-Luther-Universität. Denn der emeritierte Mediziner wollte dort in die neu gegründete Vereinigung ehemaliger Studenten und Forscher namens "Alumni halenses" aufgenommen werden. - Was kürzlich auch geschah, denn Lorenz unterschrieb den Aufnahmeantrag.

Diese Mitgliedschaft bedeutet für ihn vor allem eines: "So kann ich den Kontakt in meine Heimatstadt halten", sagt der gebürtige Hallenser, der nach dem Tod seiner Frau vor nunmehr zwei Jahren aus Halle weg zog und damit erstmals seit seiner Geburt nicht mehr in der Saalestadt wohnt.

Als Hallenser fühlt er sich natürlich trotzdem. Sogar als "Urhallenser", wie er sagt. Und deshalb ist für ihn auch die Verbindung zu seiner einstigen Wirkungsstätte, der Martin-Luther-Universität, sehr wichtig. Denn Lorenz hat dort nicht nur studiert, sondern auch als außerordentlicher Professor gelehrt.

Gefragt nach dem besonderen Moment in seinem Verhältnis zu Halles Alma mater gerät Lorenz regelrecht ins Schwärmen. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg gehörte er zu den Mitbegründern einer studentischen Wiederaufbaugemeinschaft. "Wir haben mitgeholfen, die stark beschädigten Unigebäude wieder für den Lehrbetrieb herzurichten". Vor allem das Thomasianum auf dem Uniplatz sei damals stark in Mitleidenschaft gezogen gewesen. "Es war von oben bis unten zertrümmert. Wir haben umherliegende Ziegel auf das Dach transportiert, um es neu einzudecken", erinnert sich der Wissenschaftler. Schwerstarbeit sei das gewesen, denn es gab keine technischen Hilfsmittel, außerdem seien einige Etagen des Gebäudes nicht mehr zugänglich gewesen. Zu seinen Mitstreitern im Thomasianum zählte zu dieser Zeit auch der junge Hans-Dietrich Genscher.

Aber die Trümmerarbeit sei noch längst nicht alles gewesen, was Lorenz damals für "seine" Universität getan hat. "Denn abends haben wir oft in der Bibliothek ausgeholfen, um aus Büchern Hakenkreuze heraus zu schneiden." Und noch etwas: Mit Lastkraftwagen und Pferdefuhrwerken machten sich der Hallenser und seine Mitstreiter auf, um in Höhlen und Luftschutzbunkern eingelagerte Mikroskope und andere wissenschaftliche Geräte wieder in die Institute zu bringen. An manchen Tagen sei er zwölf Stunden auf den Beinen gewesen. "Und deshalb habe ich mich auch riesig gefreut, als die Uni im Februar 1946 wieder öffnen konnte", so Lorenz, der sich damals in die Matrikel der Medizinischen Fakultät einschrieb.

An all das erinnert sich der Ruheständler sehr gern. Auch heute noch, wo er fast 100 Kilometer entfernt von "seiner" Stadt lebt. Das Zimmer, das er im Haus seiner Tochter in der Nähe von Crimmitschau bewohnt, nennt er selbst das "Halle-Zimmer". Und es verdient diesen Namen. Steht es doch voll mit Literatur und Bildern der Saalestadt. In diesem Ambiente bereitet Lorenz momentan eine Veranstaltung vor. "Sie soll im Rahmen der Jubiläumsfeiern der Martin-Luther-Universität im Schloss Dieskau stattfinden." Sein größter Wunsch wäre es, wenn auch Hans-Dietrich Genscher zu dieser Veranstaltung kommen würde. "Immerhin habe ich ihn eingeladen. Und es wäre unsere erste persönliche Begegnung nach der gemeinsamen Zeit als Trümmerjungen."