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Lustgarten und Handelsgebiet

Von HEIDI JÜRGENS 13.04.2009, 17:16

HALLE/MZ. - Und wer könnte auf Anhieb sagen, dass das jetzige Hotel Ankerhof eines der besterhaltenen ehemaligen Zollgebäude Mitteldeutschlands ist? Sicher sind das nicht allzu viele. Aber seit dem Ostersonnabend doch wohl einige mehr als zuvor.

Statt zu verreisen, kann man sich als Hallenser auch mal in der Nähe umschauen und dabei so manches entdecken, was anderen durchaus eine Reise wert sein könnte. Dieses Konzept verfolgt die Agentur Stattreisen, die seit zwei Jahren Stadtrundgänge der besonderen Art ins Programm nimmt. Am Ostersonnabend gab es eine Premiere - einen Rundgang durch die Klaustor-Vorstadt.

Mehr als 30 Interessenten hatten sich dazu an der Villa del Vino in der Ankerstraße eingefunden, um sich gemeinsam mit Kerstin Kiefel von Stattreisen und Vinothek-Chef Hans-Jürgen Pietsch in dem Gebiet rund um die ehemaligen Ausspann- und Packhöfe umzuschauen und näheres zur Historie zu erfahren.

Ob auf dem Gelände der heutigen Vinothek oder auf den zur Mansfelder Straße hin angrenzenden Arealen mit den Gaststätten Goldenes Herz und Grüne Tanne - hier ging ehemals nahezu tierisch zu. "Das waren Ausspannhöfe", sagt Hans-Jürgen Pietsch, "bis zu einhundert Pferde konnten hier untergebracht und in der nahen ,Schwemme' gesäubert werden." Auch eine Schmiede habe es gegeben, hier konnten die Pferde bei Bedarf neue Hufeisen erhalten. Die Gasthöfe boten den Kutschern Verpflegung und Ruheplätze, "denn auch für sie gab es früher Lenkzeiten, die nicht überschritten werden durften", so Pietsch.

Dann kommt er auf den gegenüber liegenden Ankerhof zu sprechen. Der wurde 1836 als neuer Packhof errichtet und ersetzte den alten, der sich zwischen Klausbrücke und Domplatz befunden hatte. Packhöfe waren Handelsniederlassungen an Straßen und Flüssen, "durch den Ankerhof entwickelte sich so etwas wie das erste Gewerbegebiet vor den Toren der Stadt", meinte Pietsch. Gleichzeitig habe der Ankerhof als Zollstation zwischen Preußen und Kursachsen fungiert, später als Hauptzollamt, denn die Grenze verlief unweit. Noch jetzt ist am Haus der Preussische Adler zu sehen, auch die Aufschrift "Königliches Hauptzollamt" ist erhalten geblieben.

Geht man durch die Ankerstraße in Richtung Robert-Franz-Ring, dann kann man gut einen der Kanäle erkennen, von denen Pietsch zuvor mit Blick auf den ehemaligen Lustgarten gesprochen hatte. Heute ist dieser eine Hochwasserschutzanlage und verbindet den Mühlgraben mit der Saale. Der Mühlgraben, so Pietsch, sei früher viel breiter gewesen und zur neuen Residenz habe eine Brücke geführt, deren Reste noch teilweise an der Mauer zu sehen sind.

Dann erreicht die Gruppe der Klaustor-Vorstadt-Erkunder die Mansfelder Straße und damit auch das mittlerweile restaurierte "Goldene Herz". 1712 als Ausspannhof errichtet, war der Gasthof vor den Toren der Stadt später zudem viel von Studenten und Gelehrten frequentiert. Der Name gibt übrigens auch einen Hinweis auf den Erbauer: Andreas Hertzberg.