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Leitbild für Angestellte Leitbild für Angestellte: Verhaltenskodex für Stadtverwaltung von Halle

Von Ralf Böhme und Gert Glowinski 24.05.2013, 20:14
Die Skyline von Halle. Mit seinen Leitlinien will Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand auch die Bürgernähe verbessern.
Die Skyline von Halle. Mit seinen Leitlinien will Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand auch die Bürgernähe verbessern. Möbius Lizenz

Für Beigeordnete, Amtsleiter und Mitarbeiter in der Stadtverwaltung in Halle gibt es künftig ein Leitbild - einen Verhaltenskodex. Darin sind elf Punkte aufgeführt, die unter anderem Bürgerfreundlichkeit, die Zusammenarbeit mit dem Stadtrat und den Umgang mit Anliegen von Einwohnern betreffen. Der Städte- und Gemeindebund begrüßte die Neuerung in der Stadtverwaltung. Derartige Leitlinien seien nicht ungewöhnlich, auch andere Städte hätten sich in der Vergangenheit solche Richtlinien gegeben, darunter die Landeshauptstadt Magdeburg. Im besten Fall würden die Bürger den Erfolg eines solchen Verhaltenskodex beim Kontakt mit der Verwaltung spüren.

Rollstuhlfahrer Rainer Hansen will ins hallesche Bürgerbüro. Allein schaffst er es nicht. Der ehemalige Dachdecker ist gelähmt, kann den Lift nicht bedienen. Muss er deshalb ratlos vor dem Rathaus bleiben? Nein. Ab sofort ist jeder Bedienstete der Stadt sogar offiziell verpflichtet, ihm zu helfen. Dieser Beistand entspricht den elf Geboten von Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos). Die Liste mit Selbstverpflichtungen gilt der Verwaltung als neue Leitlinie für ihre Arbeit. Rathaus-Besucher Hansen staunt: „Davon höre ich zum ersten Mal, aber es klingt vernünftig.“ Nun hofft der Schwerbehinderte, einfacher als bislang ins Rathaus zu gelangen. „Vielleicht finde ich dort auch eine Stelle, die mir hilft, ehemalige Arbeitskollegen zu finden.“

Erwartungen an Zusammenarbeit

Das Leitbild ist Ergebnis einer Diskussion des Oberbürgermeisters mit Amtsleitern und den Chefs der Dienstleistungszentren am Mittwoch gewesen. Wiegand zufolge drücken die Punkte zunächst einmal „die Erwartungen an die Zusammenarbeit“ aus. Zugleich sollen sie Mitarbeitern und Bürgern wie ein Kompass als Orientierung dienen.

Wiegand ist dabei natürlich klar, dass Halle das Rad nicht völlig neu erfindet. Man setzt auf gute Erfahrungen anderer. Magdeburg beispielsweise besitzt bereits seit Jahren ein ähnliches Papier wie jetzt die Saalestadt. Und die Magdeburger Stadtväter sind offenbar recht zufrieden damit: „Das Leitbild ist nach wie vor eine ganz wichtige Orientierung für die tägliche Arbeit“, bestätigt Stadtsprecherin Cornelia Poenicke.

Das sieht auch der Städte- und Gemeindebund in Sachsen-Anhalt so. Vize-Geschäftsführer Heiko Liebenehm nennt das hallesche Leitbild sinnvoll. Vor allem bei der Größe der Stadtverwaltung könnten derartige Leitlinien für mehr Effizienz oder Bürgerfreundlichkeit führen, schließlich könne der Oberbürgermeister nicht jedem seiner Mitarbeiter persönlich seine Vorstellungen deutlich machen. Auch die im Punkt vier genannte Zusammenarbeit mit dem Stadtrat begrüßte Liebenehm, vor allem weil das Verhältnis zwischen einigen Stadträten und der Rathausspitze seit Monaten als sehr angespannt gilt.

Ob ein Verstoß gegen die Leitlinien im Ernstfall zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen führt, scheint aber unwahrscheinlich. „Konsequenzen sind angebracht, wenn beispielsweise gegen Beamten- oder Arbeitsrecht verstoßen wird. Die Leitlinien könnten in so einem Fall nur als Unterstützung herangezogen werden“, sagt Liebenehm. Zumindest aber könne sich ein Mitarbeiter nicht herausreden, dass er bestimmte Vorgaben der Rathausspitze nicht kenne - die sind mit dem Leitbild nun formuliert.

Die Leitlinien ergänzen die Dienstanweisung Nummer eins, die Wiegand unmittelbar nach Amtsantritt herausgegeben hatte. Darin verwies der neue OB Beigeordnete, Amts- und Abteilungsleiter unter anderem auf sein Wahlprogramm. Entscheidungen seien „im Einklang mit den Richtlinien des Oberbürgermeisters zu treffen, zu finden auf seiner Internetseite.

Frischer Wind

Die elf Gebote sind erst zwei Tage alt. Dennoch kennt sie inzwischen wohl jeder der mehr als 2 000 Angestellten der Stadtverwaltung. Hausmeister Gerd Neumann spricht von einem frischen Wind und glaubt, das könne der Stadt nur gut tun. Als Klartext, der nach mancherlei Querelen angebracht sei, empfindet der Handwerker das vierte Gebot: „Wir verstehen den Stadtrat als unseren ersten Auftraggeber.“ Neumann und seine drei Kollegen sind für insgesamt 30 kommunale Objekte zuständig, von der Heizung bis zur Energie-Sparlampe. Ohne Team-Arbeit sei das nicht zu schaffen. Umso besser, wenn man diese Notwendigkeit jetzt unter Punkt elf nachlesen könne.

Akzeptable Wartezeiten, qualifizierte Beratung - überrascht und zufrieden mit dem Service im Rathaus ist Ines Hubert. Die 30-Jährige aus dem Stadtteil „Frohe Zukunft“ holt das wichtigste Dokument ihres Sohnes ab - Mikas Geburtsurkunde. Während der erst drei Wochen alte Säugling schlummert, stellen die Mitarbeiter des Standesamtes zügig die erforderlichen Papiere aus. Nach ihrer kurzen Visite tippt sie auf das dritte Gebot: „Bürgergespräche sind vorrangig, im Standesamt klappt das schon.“

Wirtschaftsdezernent Wolfram Neumann will sein Ressort gleichfalls nach vorne bringen. Da sei es kein Zufall, dass das Leitbild jetzt griffbereit auf seinem Schreibtisch liege. „Jeder Punkt unterstreicht, dass Verwaltung kein Selbstzweck ist.“ Ein Beispiel: Rund 12 000 Anfragen richteten Unternehmen pro Jahr an die Stadt. Klare Ziele, klare Entscheidungen, klare Verantwortlichkeiten - das sei eine wichtige Botschaft des Leitbildes, meint er.

Für Rita Lachky, zu deren Fachbereich auch der Bürger-Service als zentrale Anlaufstelle im Erdgeschoss des Rathauses gehört, sagt: „Wir fangen nicht bei Null an, aber damit gehen wir erneut in die Offensive.“ Wenn es um Bürgerfreundlichkeit geht, so ihr Anspruch, sollte sich die hallesche Verwaltung von niemanden überholen lassen. Allerdings verstehe sie die elf Gebote nicht als Dogmen. Das Leitbild könne glücklicherweise, falls erforderlich, dynamisch angepasst werden. Anders als die Bibel.

1. Wir sind stolz auf unsere Stadt, ihre Wissenschaft und Kultur und ihre Traditionen. Das ist Verpflichtung und Antrieb für unsere Arbeit.

2. Wir sehen uns verpflichtet, das Gemeinwohl zu mehren. Alle Vorgänge werden effektiv, schnell und lösungsorientiert bearbeitet. Auslegungen und Abwägungen orientieren sich stets am Interesse der Bürger.

3. Wir sehen in den Bürgerinnen und Bürgern Partner und Mitgestalter mit Kompetenz für ihre Anliegen und die der Stadt. Bürgergespräche und -beteiligungen sind vorrangig. Im Mittelpunkt steht der Gedanke des zentralen Ansprechpartners.

4. Wir verstehen den Stadtrat als unseren ersten Auftraggeber. Der Stadtrat erhält vollständige Informationen, die mit einer Pro/Contra Abwägung schließen. Gefasste Beschlüsse werden konsequent umgesetzt und kontrolliert.

5. Wir informieren die Öffentlichkeit schnell und aktuell auch mittels moderner Medien. Die Aufgaben der einzelnen Fachbereiche und Dienstleistungszentren stellen wir verständlich und transparent dar.

6. Wir übernehmen Verantwortung bei unseren Entscheidungen. Verantwortlichkeiten klären wir frühzeitig und verbindlich. Es ist die Aufgabe von Führungskräften, klare Ziele zu setzen, zu entscheiden und regelmäßig die Ergebnisse zu überprüfen.

7. Wir setzen die Haushaltmittel sparsam und wirtschaftlich innerhalb eines eigenen Zuschussbudgets ein. In den Geschäftsbereichen und Fachbereichen erfolgt eine Zuschussbudgetierung mit Anreizen. Leistungsaufträge werden erteilt.

8. Wir entwickeln im Rahmen einer Aufgabenkritik systematisch unsere Verwaltungsorganisation und unsere Prozesse weiter. Ergebnisse und Wirkungen werden auf der Grundlage dieser Leitlinien gemessen.

9. Wir fördern systematisch unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie werden in Konfliktsituationen unterstützt, auf ihre Gesundheit wird geachtet.

10. Wir schaffen ein Klima, in dem Kritik geäußert und konstruktive Diskussionen geführt werden können. Was wir miteinander vereinbaren, halten wir ein. Gegensätzliche Auffassungen zu Entscheidungen dürfen die Umsetzung nicht behindern.

11. Die Stadtverwaltung Halle ist ein Team. Wir gewinnen, indem wir uns gegenseitig stärken und nach außen abgestimmt einheitlich als „Stadt Halle (Saale)“ auftreten.

Bernd Wiegand, Oberbürgermeister Halle
Bernd Wiegand, Oberbürgermeister Halle
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