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Lehrermangel in Halle Lehrermangel in Halle: Schulen wenden sich an Rentner und Quereinsteiger

Von Anja Silbe 14.08.2017, 08:45
Reibungslos läuft der Unterricht nicht überall.
Reibungslos läuft der Unterricht nicht überall. Holger John

Halle (Saale) - Es ist kaum möglich einen freien Sitzplatz in der lauten Straßenbahn oder einem Bus zu bekommen: Die Schulferien sind vorbei. Rund 23.000 Schüler besuchen dieses Schuljahr die halleschen Schulen und müssen nun morgens wieder früh aufstehen. Bei der großen Zahl von Kindern und Jugendlichen steht die Stadt Halle jedoch vor einem Problem: Wo sollen die ganzen Lehrer herkommen?

Nach der letzten Einstellungsrunde konnten landesweit 100 Stellen nicht besetzt werden. Zum Ausgleich dieses Mangels ergreifen die Schulen verschiedene Maßnahmen. So würden Lehrer von anderen Schulen abgeordnet, Krankheitsfälle würden durch befristete Einstellungen ersetzt und auch eine Nachausschreibung sei geplant, so Silke Stadör vom Landesschulamt. Diese Ausschreibungen seien möglich, da die Länder nicht jeden Lehrer verbeamtet haben und Lehrkräfte aus anderen Stellen zurück geholt werden können.

Lehrermangel in Halle: Schulen wenden sich an Rentner und Quereinsteiger

Die Schulen würden sich auch an Rentner wenden und Quereinsteiger in Betracht ziehen. Jedoch berge ein Einstellen ohne Grenze die Gefahr, dass die fachliche Kompetenz in den Hintergrund trete. Befristete Stellen kämen meist dadurch zustande, dass die Fächerkombination der Lehrer nicht zur Unterrichtsplanung passe.

Momentan erfüllten die Lehrkräfte an den Schulen mehrere Aufgaben zusammen. Sie sind nicht nur Bildungsbeauftragte, sondern auch Schulpsychologen, Sozialmitarbeiter und IT-Spezialisten. Dadurch wachse die Belastung der Angestellten immens, was sich in längeren Krankschreibungen widerspiegele. Am Ende des Schuljahres sagten einige Lehrer, sie wollen nur noch Sommerferien haben. Konkret sind nach Angaben des Landesschulamtes von 69 offenen Stellen in Halle 13 zum Anfang des Schuljahres nicht besetzt.

Folgen für die Lehrer und Schüler

Das hat natürlich auch Folgen für die Lehrer und Schüler. Der Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule kann nicht zufriedenstellend ausgeführt werden. Besonders problematisch wird es, wenn Unterrichtsstoff nicht gelehrt wird. Außerdem kann nicht mehr individuell auf Schüler eingegangen und Fähigkeiten gefördert werden. Schüler gewöhnen sich weniger an den Lehrer, da sie um seine kurze Verbleibdauer wissen. Das Zusammenleben und die Gemeinschaft, die bei außerschulischen Aktivitäten entwickelt werde, leidet auch unter der Stundenkürzung.

Kinder und Jugendliche aus Flüchtlingsfamilien sollen im Schulalltag jedoch genauso ihren Platz finden wie alle anderen. Dafür werden spezielle Sprachlehrer eingesetzt werden. Die Schulen können damit zwei verschiedene Taktiken fahren. Entweder sie integrieren die Flüchtlingskinder gleich in den Klassen oder es werden eigene Klassen aufgemacht.

Insgesamt fehlt es in den halleschen Schulen an allen Ecken

„Schule soll weniger eine Lernfabrik sein, sondern ein entspanntes Umfeld, in dem Schüler gerne lernen“, sagt Timon Furchert, Vorsitzender des Stadtschülerrates. „Bei der Ausstattung gibt es große Differenzen. Insgesamt fehlt es in den halleschen Schulen an allen Ecken. Zum Beispiel muss dringend in den Brandschutz investiert werden“, zählt er auf. Außerdem sei die Barrierefreiheit auch ein großer Schwachpunkt.

Viele Schulen seien für Schüler mit Behinderung nicht ausgerüstet. „Die Digitalisierung in den Gebäuden lässt auch zu Wünschen übrig. Viele Schulen haben eine schlechte Internetabdeckung. Vielerorts ist die Technik zwar vorhanden, funktioniert aber nicht richtig. Die digitale Welt kommt wenig im Unterricht an“, so Timon Furchert.

Zusammenarbeit zwischen Lehrern, Schülern und Eltern soll verbessert werden

Vor einiger Zeit veranstalteten Schulen beispielsweise das Pilotprojekt „Tablet-Aktion“. Aber da Schüler und Eltern bei der Planung und Idee wenig eingebunden waren, verlief das Projekt ungenutzt im Sande. Viele Anregungen würden von den Schülern auch einfach nicht geäußert, erklärt der Schülerrats-Vorsitzende. „Sie stecken im Denken fest, dass sich sowieso nichts ändern werde und ihr Unmut vergrößert sich.“ Dabei interessierten sich Lehrer und Schulorganisatoren vor allem für schülereigene Ideen. Deshalb soll in diesem Schuljahr versucht werden, den Abstand zu überwinden und ein Treffen auf gemeinsamer Ebene zu ermöglichen.

Vor allem die Zusammenarbeit zwischen Lehrern, Schülern und Eltern solle verbessert werden. Schließlich hätten alle ein gemeinsames Ziel: einen guten Abschluss. (mz)