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Kerstin Müller Kerstin Müller: Glimmer und ein blaues Auge

Von Simone Voigtländer 19.02.2001, 17:32

Halle/MZ. - Wird der Ausstellungsbesucher mit etwas Ungewöhnlichem konfrontiert, sind zwei entgegengesetzte Reaktionen möglich: Neugier oder Ablehnung. Die Textilkünstlerin Kerstin Müller wird sicher mit beidem rechnen müssen. Seit kurzem sind in der Galerie Zeitkunst in der Rathausstraße ihre Arbeiten unter dem Titel "eckig - schön - unbestechlich" zu sehen.

Doch was dem Betrachter zuerst auffallen wird, ist weder eckig noch schön, sondern wirkt weich und kuschlig. Denn Kerstin Müller, die vor ein paar Jahren vom Mode- ins Textilfach wechselte, zeigt eine Vorliebe für Plüsch, Glitzerstoffe, Pompons, kurz für den Glimmer einer Barbie-Welt. Doch der plüschige Schein trügt. Denn die Abziehbildchen mit den Barbies in Hochzeitskleidern sind in dicke Bilderrahmen eingesperrt. Der glattrasierte Schönling in einem ihrer Bilder hat ein blaues Auge. Eine Arbeit zum Thema Beziehungen ist voller Wundpflaster.

"Ich erzähle Geschichten" sagt Kerstin Müller. Und sie hofft, dass ihre Bilder nicht nur "angeguckt" werden, sondern "empfunden". Sie ist auch der Meinung, eine spezifisch weibliche Sichtweise zu vertreten. "Nicht nur wegen der Pompons." Durch Glanz wird die Welt nicht besser, weiß die Aufbaustudentin. "Aber sie erhält eine ästhetische Qualität." Außerdem vermutet die gebürtige Hallenserin bei sich einen ästhetischen "Nachhole-Effekt". Sie kann der grassierenden Verfallsästhetik nichts abgewinnen. Ihrer Ansicht nach war das trübe, graue Halle der DDR-Zeit ungesund. So wirken die Collagen teilweise wie das Poesie-Album einer Elfjährigen, die die Relikte aus den Westpaketen wie Preisschilder, Stammbuch-Bildchen oder Zeitungsausschnitte in ihr Allerheiligstes klebt.

Wie viel allerdings sich unter der glänzenden Oberfläche verbirgt, bleibt der Geduld und dem Aufnahmewillen des Betrachters überlassen. Kerstin Müllers "Tulpenbilder" deuten es an: Die Schichten unter der Blume sind zahlreich und gehören zur Entwicklung des Bildes dazu.

Die Ausstellung ist noch bis zum 10. März in der Galerie "Zeitkunst" in der Rathausstraße zu sehen.