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Judo - SV Halle Judo - SV Halle: Zuwachs für den Vereinszoo

Von Stefan Thomé 31.05.2015, 21:21
Stephan Fröhlich (vorn links) ist ganz ergriffen, als seine Mannschaft „Danke!“ sagt.
Stephan Fröhlich (vorn links) ist ganz ergriffen, als seine Mannschaft „Danke!“ sagt. Schulz Lizenz

halle (Saale) - Die Stimme versagte. Und seine Augen bekamen einen feuchten Schimmer. Als die Zuschauer, seine eigene Mannschaft und sogar der Gegner aus Riesa Stephan Fröhlich an diesem Samstagabend in der Brandbergehalle stehend applaudierten, musste sich der 29-Jährige erst einmal sammeln.

Vor knapp acht Jahren hatte sich der Judoka dazu entschlossen, mit ein paar Unentwegten im SV Halle das Abenteuer zweite Bundesliga anzugehen. Mit viel Herzblut hatten sie ein konkurrenzfähiges Team aufgebaut. Mit Fröhlich als Kämpfer, Trainer, Klinkenputzer bei Sponsoren und Wettkampforganisator - kurz als Mädchen für alles. Doch nun ist damit offiziell Schluss. Fröhlich hat eine Festanstellung als Trainer bekommen und ist für den Nachwuchs der U16 im Stützpunkt verantwortlich. Um sich nicht zu verzetteln, hat er das Traineramt an den diplomierten Sportlehrer und Judoexperten Stephan Wussow abgegeben. „Bei ihm sind die Jungs in guten Händen“, sagt Fröhlich.

Die Neustrukturierung der anfänglichen Spaßtruppe passt ins Bild. Der Judo-Zweitligist will sich professionalisieren. Die Einbindung zweier polnischer Gaststarter ist dafür ein weiterer Beleg. Mangels eigener schwergewichtiger Kämpfer haben sich die Hallenser die Dienste von Kamil Grabowski und Gregorz Slabiak gesichert - für eine bessere Aufwandsentschädigung nehmen die Sportstudenten aus Bytom die 600 Kilometer Anfahrtweg in Kauf. Mit ihren vier Siegen trugen die zwei zum 7:6-Gesamtsieg über die Sachsen bei - der Aufwand hat sich also gelohnt.

Raus aus der Nische

Die Judoka des SV Halle wollen raus aus der Nische. Deshalb sollen auch die Wettkämpfe besser vermarktet werden. Bedruckte Eintrittskarten sind nur ein Beispiel. Einheitliche Anzüge der Kämpfer, professionelle Plakate oder eine eigene Homepage sind weitere Ansätze. „Statt 150 bis 200 Zuschauer wollen wir mittelfristig 500 Zuschauer in die Halle locken“, sagt Jan Förster vom Organisationsteam. Und um dem Mannschaftskampf Event-Charakter zu verleihen, gab es weitere Premieren. Die ehemalige Weltklassekämpferin Claudia Malzahn moderierte zusammen mit dem verletzten Athleten Alexander Lenk den Wettkampf und erklärte den Zuschauern, was da genau in dem Bruchteil einer Sekunde auf der Matte passierte. Zum anderen liefen die Zweitligisten erstmals unter dem neuen Kampfnamen „Tigers“ auf. Das soll einen Wiedererkennungswert mit dem Team schaffen.

Halles Sportzoo hat also Zuwachs bekommen, denn tierische Kampfnamen kennt man bereits zahlreich von anderen Vereinen. Doch warum es bei den Judoka gerade der Tiger ist? „Judo ist eine asiatische Kampfsportart und der Tiger ein Tier aus dem asiatischen Raum“, erklärt Fröhlich. „Es erleichtert die Arbeit im Merchandising-Bereich“, sagt auch Förster. „Aber der Name soll nur ein Baustein sein.“

An Tieren im Vereinsnamen scheiden sich gleichwohl die Geister. Viele sehen es positiv. „Für das Team kann das durchaus eine positive psychologische Wirkung haben“, sagt der Kölner Sportpsychologieprofessor Jens Kleinert, „aber dann muss man das anders angehen, als es zur Zeit häufig gemacht wird.“ Wenn ein Tier von der Vereinsführung oder einem Sponsor nur zum Marketing in den Namen integriert wird, verpufft eine mögliche Wirkung bei den Sportlern, erläutert der Leiter des Sportpsychologischen Institutes der Deutschen Sporthochschule (DSHS) in Köln. „Setzt sich die Mannschaft intensiv mit den Eigenschaften des Tieres auseinander und findet Gemeinsamkeiten, kann dadurch ein Teamgeist entwickelt werden.“ Dabei gehe es gar nicht mehr um das Tier und dessen Charaktereigenschaften, sondern um den Prozess der Meinungsfindung, der zusammenschweißen kann.

"Bilder sind stärker als Worte"

Völlig anders sieht Kleinert aber die Symbolik von Tiernamen bei den Fans. „Da ist es völlig egal, welches Tier eine Mannschaft auswählt. Entscheidend ist das Bild, das transportiert wird und ein Gemeinschaftsgefühl erzeugt.“ Denn: „Bilder sind immer stärker als Worte.“ Deswegen könne es sogar ein völlig absurdes Tier sein, dass sich ein Team als Maskottchen wählt. „Ich habe schon von Schildkröten und Papageien gehört.“

Als bestes Beispiel für große Fan-Identität nennt Kleinert Geißbock Hennes des Fußball-Bundesligisten 1. FC Köln. Von daher haben die Floorballer des USV vieles richtig gemacht. Mit dem „Saalebiber“ verbindet man nicht gerade sportliche Attribute, doch der Kopf eines kampfeslustigen Bibers taucht im grünen Logo des Zweitligisten auf und findet sich auf Fanshirts sowie Schals. „Und der Vorschub mit der Saale“, so Kleinert, „das hat was Regionales, das für die Fans Gemeinschaft widerspiegelt.“

Sebastian Uhrich, Sportmarketing-Experte an der DSHS in Köln nennt noch einen anderen Punkt. „Es muss ein Bezug zur Region hergestellt werden und ein schlüssiges Gesamtkonzept entworfen werden. Ein Kampfname allein kann purer Aktionismus sein, um sich attraktiver zu machen“, sagt er. „Es muss immer aus der Sicht des Zuschauers gedacht werden und ein Erlebnis geboten werden. Der Name allein bringt es nicht, um Randsportarten zu entstauben.“

Von daher sind auch die SV Halle Tigers auf dem richtigen Weg. Nicht, weil sie jetzt einen Kampfnamen, sondern weil sie Ideen haben, wie sie ihren Sport aus der Nische herausholen wollen. (mz)