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Interesse an großen Tieren galt nicht denen der Partei

Von MICHAEL DEUTSCH 12.03.2010, 17:59

HALLE/MZ. - "Der Grothewohl geht so, aber der Spitzbart muss weg", ist sein folgenreiches Zitat überliefert, das sich gegen den damaligen SED-Chef Walter Ulbricht richtete und Pretzsch dann sogar den Job kostete.

Von dieser emotionalen Spontanität weiß Ludwig Baumgarten. Als ehemaliger Oberassistent des Zoodirektors und Chronist des 1901 gegründeten Zoologischen Gartens Halle hat er sich intensiv mit Hans Petzsch auseinander gesetzt, der am 27. März vor genau hundert Jahren geboren wurde.

"Mit Petzsch verlor Halle einen der rührigsten Zoodirektoren der Nachkriegszeit", ist sich Baumgarten sicher. In seiner doch relativ kurzen Amtszeit von 1951 bis zur Kündigung 1959 gelang es ihm, den maroden Zoo der Nachkriegszeit wieder auf Vordermann zu bringen. "Petzsch war ein Mensch, der für seine Ideen brannte und viele davon begeistern konnte - außer die Parteileitung und den Rat der Stadt Halle", sagt Baumgarten. Als Zoodirektor hatte er bei Oberen keine Lobby. Die hätten seine Pläne regelrecht torpediert, weil der gebürtige Pesterwitzer (Sachsen) weder Parteimitglied noch Freund der SED war. Petzsch' Interesse an großen Tieren, sagt Baumgarten, galt einzig dem Tierreich.

So gelang es dem geschäftstüchtigen Zoodirektor die ersten Elefanten und Flusspferde nach dem Krieg in die Saalestadt zu holen. Im Dezember 1951 kam die Elefantin Frieda, im Juli 1952 das Flusspferd Paula. "Zu damaliger Zeit war das eine Riesensensation, die Besucher kamen in Scharen auf den Reilsberg", so Baumgarten.

Hans Petzsch, der in Dresden Zoologie studierte und ab 1937 als Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Dresdner Zoo arbeitete, stieg 1939 zum Zoo-Betriebsleiter auf. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges musste er an die Front und geriet in Kriegsgefangenschaft. "Weil er zu spät nach Hause zurück kam, verlor er seinen Posten im Dresdner Zoo", erklärt der Chronist.

In der Folgezeit habe sich Pretzsch als Landmann und Schriftsteller von wissenschaftlichen, oft auch populärwissenschaftlichen Werken über Wasser gehalten, bis er sich 1951 erfolgreich auf die Stelle des halleschen Zoodirektors bewarb. Hier löste er Hans Voß ab, der als damaliger Leiter des Schlachthofs Halle seinen Zoodirektor-Posten nur nach Feierabend wahrnehmen konnte.

Petzsch, der in Halle eine Vollzeit-Stellung erhielt, gab Vollgas. Doch die Partei bremste. "Bereits 1957 reichte er seine Kündigung ein, wurde aber überredet, weiter zumachen", so Baumgarten. In der Folgezeit habe ihm die Partei einen wissenschaftlichen Assistent vor die Nase gesetzt, der ihn auch nach seiner parteikritischen Kneipenplauderei verpfiffen haben soll.

"Nach seiner Kündigung hat Petzsch nie wieder Arbeit in der DDR bekommen", sagt Baumgarten, der den Zoologen Anfang der 70er Jahre selbst kennen lernte. In einer Künstlerkommune hab Petzsch in der Geiststraße gewohnt und sich als freischaffender Autor über Wasser gehalten. Von ihm stamme etwa der Säugertierband der Tierenzyklopädie, der zu damliger Zeit im Urania-Verlag erschien. Im Alter von 64 Jahren verstarb Petzsch am 10. Oktober 1974.

Mehr Informationen zu Hans Petzsch finden sich in der Chronik "Zoologischer Garten Teil II 1945 bis 1976" wieder, die es an der Zookasse zu kaufen gibt.