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„Schlimmer als je zuvor“ Intensivmediziner sorgen sich um dritte Corona-Welle

14.04.2021, 12:45

Halle (Saale)/Merseburg - Die Zahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus nimmt wieder zu, auch die Zahl der schweren Fälle. Am Montag haben die halleschen Kliniken Alarm geschlagen. Die Intensivstationen seien voll belegt. Auswärtige Covid-19-Patienten könnten nicht mehr behandelt werden. „Die Intensivmediziner warnen zu Recht, da es absehbar ist, dass es in vier Wochen schlimmer als je zuvor sein könnte“, sagt Hermann Wrigge, Chefarzt der Klinik für Intensiv- und Notfallmedizin, am Bergmannstrost.

Im Bergmannstrost, das eigentlich auf Unfallchirurgie spezialisiert ist, musste der Intensiv-Bereich am Montag für Corona-Infizierte von sieben auf elf Betten aufgestockt werden. „Doch das geht zu Lasten anderer geplanter Eingriffe wie für einen Hüft- oder Kniegelenk-Ersatz. Die können wir nicht durchführen“, so Wrigge. „Die dritte Welle wird zur Belastung für das System und für die Patienten.“

„Alle Patienten der Universitätsmedizin Halle können adäquat versorgt werden.“

Auch die anderen Kliniken erweitern gerade ihre Intensivkapazitäten für Covid-19-Patienten, weshalb Thomas Moesta, Ärztlicher Direktor der Uniklinik, betont: „Alle Patienten der Universitätsmedizin Halle können adäquat versorgt werden.“ Dennoch sieht auch Moesta eine „relativ angespannte Versorgungssituation“ in Halle. „Das liegt zum einen an einer sehr hohen Nachfrage für die Versorgung jener Nicht-Covid-19-Patienten, die noch aus zum Teil verschobenen Eingriffen und Behandlungen durch die zweite Corona-Welle resultiert“, so der Klinikchef.

Zum anderen ergebe sie sich aus den steigenden Krankenzahlen ein höherer Bedarf an Intensivbehandlungen für Covid-19-Patienten. Und: Der Personalaufwand für die Betreuung eines Covid-19-Patienten sei schon aufgrund der umfangreichen Hygienemaßnahmen deutlich erhöht. „Die Krankenhäuser der Stadt stehen im permanenten Austausch und stimmen ihre Behandlungskapazitäten untereinander ab“, erläutert Moesta.

Uniklinik baut einen weiteren Intensivbereich für Covid-Patienten aus

Die Uniklinik baut einen weiteren Intensivbereich mit 15 Betten für Covid-Patienten aus - obwohl derzeit ohnehin schon 70 statt sonst üblicher 60 Intensivbetten in Betrieb sind, davon zehn auf der Corona-Station. Dass in Halle Ärzte in einem Triage-Verfahren entscheiden müssten, welcher Covid-Patient behandelt wird und welcher nicht, sieht Moesta nicht. „Wohl aber, dass andere Behandlungen immer stärker aufgeschoben werden müssen und hier ein Gesundheitsschaden entsteht. Die dringende Versorgung ist hochgradig gefährdet.“

Bergmannstrost-Chefarzt Hermann Wrigge nennt noch ein weiteres Problem: Das Personal sei zermürbt und doppelt pandemiemüde durch die hohe Arbeitsbelastung. Zudem sorgen die bundesweiten Zahlen für Anspannung: Waren zum Höhepunkt der zweiten Welle 3.000 Intensivbetten belegt, so sind es jetzt zum Beginn der dritten Welle schon 4.600.

„Die Kurve geht nach oben, aber ich sehe keine Änderung im Verhalten der Menschen“

„Die Kurve geht nach oben, aber ich sehe keine Änderung im Verhalten der Menschen“, bedauert er. Private Kontakte müssten auch ohne staatliche Anordnung noch stärker eingeschränkt werden und Homeoffice verbreiteter sein. „Wo das nicht möglich ist, müssten Betriebe geschlossen werden“, fordert er. Ohne einen harten Lockdown komme Deutschland nicht von den hohen Corona-Zahlen herunter.

Auch im Merseburger Basedow-Klinikum türmt sich die dritte Infektionswelle auf. Statt fünf Corona-Fällen vor Ostern wurden am Dienstag bereits zehn intensivmedizinisch behandelt, sieben davon wurden beatmet. Deshalb entschied sich das Klinikum am Wochenende, eine zweite Intensivstation (ITS) zu eröffnen. (mz/Silvia Zöller und Robert Briest)