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Jubiläum am Dorint Hotel Hotelier Bertram Thieme: Direktor vom Dorint Hotel Charlottenhof in Halle (Saale) feiert Jubiläum

Von Bärbel Böttcher 08.01.2017, 09:00
Bertram Thieme, Direktor des Dorint Hotels Charlottenhof in Halle, hatte ein ganz besonderes Verhältnis zu  Hans-Dietrich Genscher. Dieser war Stammgast in „seinen“ Hotels, dem Interhotel Stadt Halle und dem Dorint. Dass sich die Stadt Halle jetzt mit der Ehrung des Politiker schwer tut, das kann er nicht verstehen.  
Bertram Thieme, Direktor des Dorint Hotels Charlottenhof in Halle, hatte ein ganz besonderes Verhältnis zu  Hans-Dietrich Genscher. Dieser war Stammgast in „seinen“ Hotels, dem Interhotel Stadt Halle und dem Dorint. Dass sich die Stadt Halle jetzt mit der Ehrung des Politiker schwer tut, das kann er nicht verstehen.   Andreas Stedtler

Halle (Saale) - Gleich an einem seiner ersten Arbeitstage im Interhotel Stadt Halle kommt Bertram Thieme gehörig ins Schwitzen. Es ist der 24. Juni 1976. Erwartet wird ein besonderer Gast - Hans-Dietrich Genscher. Der besucht seine Verwandten und nimmt wie gewöhnlich Quartier im Interhotel. Dort hat Bertram Thieme am 16. Juni angefangen - als rechte Hand des neuen Direktors. Und dieser überträgt die Begrüßung des Außenministers und Vize-Kanzlers der Bundesrepublik gleich mal dem 27-Jährigen. 

Genscher lässt jedoch auf sich warten. „Dreieinhalb Stunden habe ich in der Empfangshalle gestanden, mich nicht einmal auf die Toilette getraut“, erzählt  Bertram Thieme. Vor Aufregung zittert er. Er erwartet einen Weltpolitiker. „Und dann kam da ein Mensch“, sagt er. Ein Mensch, der mit ihm über das Wetter plaudert. 

Es ist nicht das letzte Mal, dass der junge Mann für seinen Chef in die Bresche springen muss. Ein gutes halbes Jahr später wird dieser denn auch abgelöst. Am 11. Januar 1977 heißt es: „Bertram, ab morgen leitest du das Hotel.“ 

Kommissarisch. Spätestens in vier bis sechs Wochen, so wird ihm versprochen, sei ein neuer Direktor da. „Auf den warte ich bis heute“, sagt Bertram Thieme. Und so feiert der nun 67-Jährige am 12. Januar sein 40-jähriges Jubiläum als Hoteldirektor.

Dorint Hoteldirektor: „Habe 54 Kindern auf die Welt geholfen.“

In der Branche ist das einzigartig. Bertram Thieme ist in der Konzernhotellerie deutschlandweit der dienstälteste Direktor. Im Durchschnitt bleibt ein Chef 2,6 Jahre. Doch den gebürtigen Weißenfelser, der seit seinem 22. Lebensjahr in Halle lebt, hat es zumindest beruflich nie in die große weite Welt gezogen.

Dabei wird es Bertram Thieme nicht an der Wiege gesungen, einmal ins Hotelfach einzusteigen. Eigentlich soll er die Physiotherapie-Praxis seines Vaters in Hohenmölsen übernehmen. Und so beginnt der 17-Jährige erst einmal eine Lehre als Krankenpfleger.

Doch der plötzliche Tod des Vaters stellt die Weichen neu. Immerhin bringt der Junge seine Lehre zu Ende. Das letzte Ausbildungsjahr absolviert er auf der Entbindungsstation. „54 Kindern habe ich auf die Welt geholfen“, erzählt er.

Hoteldirektor: Erinnerungen an unglückliche Kindheit

Nach einigen Zwischenstationen landet er in der Stadtverwaltung Halle. Und als ein Assistent für den Direktor im Interhotel gesucht wurde, ist er der Mann der Stunde. 

Nie zuvor hat er die Nobelherberge betreten, die er bald darauf 20 Jahre lang leiten wird. Nur einmal noch wechselt Bertram Thieme seinen Arbeitsplatz. Als er 1997 Direktor des Dorint Hotels Charlottenhof wird.

Hier setzt er schon bei den Planungen eigene Akzente. So lässt er das Haus im Jugendstil gestalten. „Der überholt sich nicht“, sagt er. Doch das ist nicht der einzige Grund.

Er kommt auf seine unglückliche Kindheit zu sprechen. Die Mutter geht nach der Scheidung 1951 zurück in den Westen. Er lernt sie erst nach der Wende kennen. Da ist die Frau fast 75 Jahre alt. Bertram bleibt beim erblindeten Vater.

Die Stiefmutter empfindet keine Liebe für den Jungen. Der ist zudem in seinen ersten Lebensjahren von einer schweren Erkrankung gezeichnet. Der einzige Mensch, der zu ihm steht, ist seine Oma. Und sie ist im Jugendstil eingerichtet.

Bertram Thieme vom Dorint Hotel Charlottenhof: Belohnung für Geborgenheit und Führungsstil

Die Geborgenheit, die Bertram Thieme damals empfindet, will er an die Gäste weitergeben. Dass dieses Konzept aufgeht, davon zeugen unzählige Auszeichnungen, die dem Haus und dem Direktor persönlich verliehen werden.

2015 wird er beispielsweise „Hospitality HR Manager“. Zu deutsch: Hotelmanager des Jahres für außergewöhnliche Menschenführung. Ausgerufen wird der Preis von der Hotelakademie Köln und einer Zeitschrift.

„Es ist die schönste Auszeichnung meines Lebens, weil es eine Wahl war“, sagt er. Eine Wahl im Internet, an der sich Kollegen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz beteiligen. 

Gewürdigt wird Bertram Thiemes Führungsstil. Er selbst beschreibt den mit wenigen Worten: „Nur glückliche Mitarbeiter können für glückliche Gäste sorgen. Und nur glückliche Gäste kommen wieder.“

Respekt und Engagement: Das ist die Philosophie von Hotellier Bertram Thieme.

Er legt Wert darauf, dass die Mitarbeiter achtungsvoll miteinander umgehen. Und versucht, das vorzuleben. Wenn er nicht auf Dienstreise oder im Urlaub ist, kommt er jeden Tag ins Hotel.

Auch an Sonn- und Feiertagen. „Meine Mitarbeiter müssen ja auch da sein. Es tut ihnen gut, wenn du am Sonntag kommst, ihnen auf die Schulter klopfst und Anerkennung zollst“, sagt er.  

Aber auch an allen anderen Tagen findet er bei seinen Hotelrundgängen für jeden persönliche Worte. Fehler zu machen, das sei bei ihm ausdrücklich erlaubt.

Seine Philosophie: „Jemand der weiß, dass er für Fehler nicht bestraft wird, hat keine Angst, welche zu begehen und macht auch weniger.“ Natürlich gebe es Auseinandersetzungen. „Aber die versuche ich so zu führen, dass derjenige, der mir gegenübersitzt, sein Gesicht wahrt“, betont er.  

„Zwischenmenschliche Probleme sollen mit zwischenmenschlichen Methoden gelöst werden, nicht mit juristischen.“ Das habe er geschafft. In all den Jahren hat er niemandem eine Abmahnung erteilt, keine betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen.

Hotellier Bertram Thieme: Lange über Hotelmanager-Preis nachgedacht

Kann man Menschenführung lernen? „Ich denke, dass das sehr viel mit meiner schlimmen Kindheit zu tun hat“, sagt Bertram Thieme. Eine Kindheit, in der er Hohn, Spott und viele Demütigungen ertragen muss. „Wahrscheinlich hat das alles in mir den Wunsch geweckt, nie so mit anderen Menschen umzugehen.“

2015 überlegt er trotz der guten Voraussetzungen lange, ob er sich auf die Wahlliste für den Manager-Preis setzen lassen soll. Warum? Zum einen denkt er an die Wendezeit, als er im Interhotel binnen 14 Monaten die Mitarbeiterzahl von 413 auf 78 reduzieren musste, um es für die Treuhand marktfähig zu machen. „Zum anderen hatte ich als Interhotel-Direktor mit der Stasi zu tun“, fügt er hinzu.

Er ist damit offen umgegangen. Seine Mitarbeit nennt er „offiziell“. „Denn ich habe nichts Inoffizielles gemacht. Für einen staatlichen Leiter gehörten solche Kontakte dazu.“

Hotellier Bertram Thieme: Immer wieder Begegnungen mit Hans-Dietrich Genscher.

Doch so mancher nimmt ihm das bis heute übel. Und Bertram Thieme schließt nicht aus, dass bei der Wahl nachgetreten wird. Doch nichts dergleichen geschieht.

Übrigens - es gibt einen einzigen Gast, der Bertram Thieme fast 40 Jahre lang die Treue gehalten hat, der mit ihm ins Dorint-Hotel zog, der es sogar eröffnete: Hans-Dietrich Genscher.

128 Mal hat er dort in der Suite übernachtet, die heute seinen Namen trägt. Das Dorint bezeichnet er offiziell als sein Lieblingshotel. Den Direktor nennt er Chef oder Herbergsvater.

Bertram Thieme hat 2017 viele Gründe zu feiern. Zu den offiziellen Terminen kommt ein privater - der 45. Hochzeitstag mit seiner Frau Sabine. Und die Zukunft? „Mein Vertrag läuft bis 2020“, sagt er. „Alles andere entscheidet das Leben.“ (mz)