Herzchirurg der Uniklinik Herzchirurg der Uniklinik Halle: Hendrik Treede gehört zu Top-Ärzteelite

„Haben Sie das schon einmal gemacht?“ Diese Frage hat Professor Hendrik Treede in seinen ersten Jahren als Herzchirurg häufig von Patienten gehört, wenn er sie über Verlauf und Risiken einer bevorstehenden Operation aufklärte. Seine wahrheitsgemäße Antwort - noch nicht so oft - habe mitunter etwas Skepsis aufkommen lassen, erzählt der Direktor der Klinik und Poliklinik für Herzchirurgie am Universitätsklinikum Halle. „Ich musste noch viele Sätze der Erklärung hinterherschicken, um die Sorgen zu zerstreuen.“
Würden Patienten dem erfahrenen Operateur heute die Frage stellen, wie oft er den entsprechenden Eingriff schon vorgenommen hat, dann könnte er zumindest in einigen Fällen wiederum antworten: Erst wenige Male. Aber die folgende Erklärung wäre eine gänzlich andere. Hendrik Treede könnte dann beispielsweise sagen, dass er in Deutschland bei der Anwendung und Weiterentwicklung neuer minimal-invasiver chirurgischer Verfahren, bei denen also nicht am offenen Herzen operiert werden muss, ganz vorn mit dabei ist. Dass die Patienten des halleschen Universitätsklinikums dadurch ganz früh in den Genuss neuer moderner medizinischer Verfahren kommen. Verfahren, die eine schonendere Alternative zu herkömmlichen OP-Techniken darstellen.
So wie zum Beispiel das Cardioband. Hendrik Treede und ein Team, zu dem neben dem Herzchirurgen auch Kardiologen gehören, sind in Mitteldeutschland die ersten, die dieses Verfahren anwenden, um undichte Herzklappen wieder schlussfähig zu machen. Genauer gesagt, handelt es sich um die Mitralklappe, die auf der linken Seite des Herzens dafür verantwortlich ist, dass genügend Blut in den Körper fließt. „Die Mitralklappe besteht aus zwei Segelklappen, die wie Flügeltüren funktionieren“, erläutert der Herzchirurg. „Treffen sie sich in der Mitte nicht mehr, fließt viel von dem Blut in den linken Vorhof zurück und das Herz muss mehr arbeiten, um die richtige Menge Blut in den Körperkreislauf zu transportieren“, fügt er hinzu. „Durch das große Blutvolumen dehnt sich das Herz aus und die Klappen werden immer weiter auseinandergeschoben.“ Der Betroffene merkt es am ehesten daran, dass er schon bei geringer Anstrengung völlig außer Atem gerät.
„Ohne Therapie“, so sagt Hendrik Treede, „kann diese Mitralklappen-Insuffizienz zum Tode führen.“ Bei vielen Patienten lasse sich ein solcher Klappenfehler aber sehr gut durch eine Operation beheben. Er verweist nicht ohne Stolz darauf, dass die Herzchirurgie am Uniklinikum Halle zu den wenigen Kliniken in Deutschland gehört, in denen eine solche Reparatur voll endoskopisch durchgeführt wird. Übersetzt heißt das, es gibt nur einen drei bis vier Zentimeter langen Schnitt. Die Rippen müssen nicht, wie sonst üblich, auseinander gespreizt werden, um an das Herz zu gelangen, denn der Operateur arbeitet ausschließlich unter Kamerasicht. Und er hat dreidimensionale Bilder vor Augen.
Risiko Herz-Lungen-Maschine
Allerdings seien Patienten, die bedingt durch eine Herzschwäche unter einer undichten Mitralklappe leiden, chirurgisch schwer zu behandeln. Sie seien meist älter, hätten noch andere Erkrankungen und eventuell auch schon eine Herz-Operation hinter sich. „Für viele von ihnen ist selbst eine minimal-invasive Operation unter Einsatz der Herz-Lungen-Maschine ein Risiko“, sagt er. Da biete das Cardioband, das zwar unter Vollnarkose, aber bei schlagendem Herzen eingesetzt wird, eine hervorragende Alternative. Zudem bleibe Raum für weitere Therapien. Die würden durch bisher eingesetzte Techniken verbaut.
Hendrik Treede seit 2015 an der Uniklinik Halle
Hendrik Treede hat sich das neue Verfahren, das weltweit bisher erst etwa 100 Mal zum Einsatz kam, in Hamburg angeeignet. Dort war der 47-Jährige bis vor einem Jahr Leitender Oberarzt des Universitären Herzzentrums. Im Sommer des vergangenen Jahres folgte er dem Ruf an die Universitätsklinik der Martin-Luther-Universität. „Nicht ohne Bauchgrummeln“, wie er heute einräumt. Sehr moderne OP-Techniken seien in Halle noch nicht voll etabliert gewesen. Als er sich aber vor Ort umgeschaut hat, da wich seine Skepsis einer großen Zuversicht. „Die Bedingungen für die Arbeit sind hier hervorragend“, betont Hendrik Treede. Er schwärmt von dem Hybrid-OP - „das modernste, was es auf diesem Gebiet gibt“ -, vom modernsten Ultraschall-Gerät, das mit 3D-Technik ausgestattet ist, und nicht zuletzt von einem motivierten Team.
Dank dieser Voraussetzungen und dank seiner eigenen Reputation war Halle in diesem Sommer eines der ganz wenigen Herzzentren, dass von der israelischen Firma, die das Cardioband entwickelt hat, ausgewählt wurde, es in der Praxis einzusetzen. „Was toll ist für die Universitätsklinik“, betont Hendrik Treede. Es ärgert ihn, dass viele, die an Herzchirurgie denken, gleichzeitig das Herzzentrum Leipzig im Kopf haben. Sicher sei das eine tolle Institution. Und vor zehn, 15 Jahren sei man an ihr auch nicht vorbeigekommen. Doch inzwischen gebe es auch in Sachsen-Anhalt hervorragende Herzzentren, die, wie Halle, Therapien anbieten, die es in Leipzig mitunter gar nicht gibt. „Halle“, so betont er, „ist längst nicht mehr nur ein Klinikum, an dem auch Herzmedizin stattfindet. Halle ist heute ein Vorreiter in der Herzmedizin.“
Hendrik Treede: Weiteren tollen Therapien sollen umgesetzt werden
Und das nicht nur wegen des Cardiobandes. Der Herzchirurg spricht von weiteren tollen Therapien, die nur darauf warten, umgesetzt zu werden. „Das nächste Thema ist der Mitralklappen-Ersatz mit Hilfe eines Katheters“, sagt er. Ebenfalls ohne Herz-Lungen-Maschine. Das sei für Patienten wichtig, bei denen die Rekonstruktion nicht erfolgversprechend sei. Hendrik Treede stand vor etwa vier Wochen bei der deutschlandweit ersten erfolgreichen derartigen Operation mit am Tisch. Allerdings in Hamburg. Er wurde von den dortigen Kollegen dafür noch einmal „ausgeliehen“. Aber bald, so beteuert er, finde das auch in Halle statt. Zu diesem Verfahren liefen derzeit Studien an. „Und Halle gehört zu den allerersten Herzzentren, die da beteiligt sind.“
Der Ehrgeiz des Herzchirurgen
Ganz früh Therapien anzubieten, die es anderswo noch nicht gibt, das ist der Ehrgeiz des Herzchirurgen. Dabei wartet er nicht nur darauf, dass andere sie entwickeln. Gemeinsam mit einem Start-up-Unternehmen in München arbeitet der Mediziner an einem Ersatz für eine schwächelnde Klappe auf der rechten Herzseite. Da werde getüftelt, welches Material geeignet sei, wie die entsprechenden Katheter beschaffen sein müssten und über welchen Weg sie am besten zum Herzen gelangten. „Von Anfang an an so einer Entwicklung beteiligt zu sein, das bringt den meisten Spaß“, unterstreicht Hendrik Treede, der auch Firmen bei der Weiterentwicklung bereits bestehender Medizinprodukte berät. Vielleicht findet der deutschlandweit erste Einsatz dieser neuen Klappe dann ja in Halle statt.
Mitteldeutsches Herzzentrum im April eröffnet
Hier steht derzeit der Aufbau des im April eröffneten Mitteldeutschen Herzzentrum im Vordergrund. Es ist vor allem das Zusammenwachsen von Kardiologie und Herzchirurgie, was damit befördert werden soll. Dass im Herzteam beraten wird, was die beste Therapie für den Patienten ist, dass seine Behandlung nicht davon abhängt, an welchen Arzt er zuerst gerät. Mit dem Direktor der Klinik für Kardiologie, Professor Stefan Frantz, spricht Hendrik Treede da eine gemeinsame Sprache. Und auch das Team empfinde die Zusammenarbeit mittlerweile als normal - was nicht immer der Fall gewesen sei, wie der Mediziner sagt. Eine häufige Operation, der minimalinvasive Ersatz der Aortenklappe am Herzen per Katheter, werde inzwischen generell von Herzchirurgen und Kardiologen gemeinsam durchgeführt.
Hendrik Treede hat es bisher nicht bereut, aus dem Norden in die Mitte Deutschlands gerückt zu sein. Und jetzt, da auch Frau und die zwei Söhne nachgekommen sind, ist er rundum zufrieden. Fast. „Ich hätte gern mehr Zeit für ein paar schöne Sachen“, sagt er. So ist er dabei, in Halle/Oppin seinen Pilotenschein zu machen. Das sei schon immer ein Traum von ihm gewesen. Wegen der hohen Arbeitsbelastung steckt er aber noch in der Theorie fest. Und auch zum Malen kommt der Herzchirurg, der ursprünglich mal Kunst studieren wollte, kaum noch. Er bevorzugt die Pigment-Technik auf Acrylbasis und als Motive Menschen und Tiere. Gibt es da im Klinikum bald mal eine Ausstellung? Hendrik Treede winkt lachend ab. „Ich glaube, ich sollte hier jetzt erst einmal mit der Herzchirurgie glänzen.“ (mz)
Verfahren: Ein Band für die Klappen
Um eine undichte Mitralklappe - eine von vier Herzklappen - wieder schlussfähig zu machen, gibt es ein neuartiges Verfahren. Dabei wird über einen Katheter ein sogenanntes Cardioband über die Leistenvene zum Herzen gebracht - über die Vorhofscheidewand in den linken Vorhof.
Das Cardioband besteht aus Kunststoff und wird mit kleinen Schrauben am Bindegewebe der Mitralklappe befestigt. Durch den Zug an einem Draht, der in das Band eingelassen ist, wird die Öffnung der Mitralklappe verkleinert, bis sich die Klappensegel wieder treffen. Dann verankern die Operateure die Enden des Cardiobandes.
Dieser künstliche Klappenring wächst mit der Zeit in das Bindegewebe ein. Ein Vorteil des Verfahrens ist, dass der Einsatz des Bandes bei schlagendem Herzen erfolgt. Dadurch kann es exakt angepasst werden.
Mit etwa einem Drittel aller Herzklappenoperationen ist die sogenannte Mitralklappeninsuffizienz in Deutschland der am zweithäufigsten operierte Herzklappenfehler.
Top-Mediziner in Sachsen-Anhalt
Sachsen-Anhalt liefert medizinische Spitzenleistungen ab: Weil die Landesregierung davon überzeugt ist und mit diesem Pfund wuchern will, gründete das Land mit der Techniker-Krankenkasse das „Netzwerk Spitzenmedizin“. Die Kooperation soll auf die Leistungen in den Krankenhäusern, speziell den Universitätskliniken in Halle und Magdeburg, aufmerksam machen. „Mit Hilfe des Netzwerks sollen künftig die Kooperationen der Krankenhäuser enger werden“, sagte Thomas Klöss, ärztlicher Direktor der Uniklinik Halle. Nun veröffentlicht das Netzwerk eine Broschüre, in der Ausnahmeärzte aus Sachsen-Anhalt auf ihrem Fachgebiet vorgestellt werden - von plastischer Chirurgie in Halle bis zur Nuklearmedizin in Magdeburg.