Heimliche Hallenser Heimliche Hallenser: Joseph von Eichendorff schaut in den Strom hinein

Halle (Saale) - Sie stand schon lange, sehr lange da, die „Burg überm Tale“ in Giebichenstein bei Halle. Seit knapp sieben Jahrhunderten dürfte es die Burg bereits gegeben haben, als der 17-jährige Student Joseph von Eichendorff sie 1805 erstmals über der Saale erblickte - übrigens längst schon als Ruine.
Doch hat es dann noch weitere 50 Jahre gedauert, und es musste aus dem Jurastudenten und Jungpoeten einer der führenden Dichter der Romantik werden, bis jenes kleine Gedicht entstand, das in Halle seither als eine Art Hymne für die Stadt betrachtet wird: „Da steht eine Burg überm Tale / und schaut in den Strom hinein ...“
Was ist eigentlich das Poetische an diesen beiden schlichten Zeilen?
Was ist eigentlich das Poetische an diesen beiden schlichten Zeilen? Auf der Suche nach diesem Eigentlichen, das den Hörer dabei anrührt, bedient man sich am besten jener „Wünschelrute“, die ebenfalls von Meister Eichendorff stammt: „Schläft ein Lied in allen Dingen ...“
Der Dichter hat solch ein Lied, das wohl auch in der Burgruine bei Halle schlummerte, dann gleich selbst geweckt, hat das „Zauberwort“ selbst getroffen und damit just den Giebichenstein zu einem Sehnsuchtsort der deutschen Romantiker gemacht. Und seinem eigenen, lebenslangen Sehnsuchtsort so ein lyrisches Denkmal gesetzt.
Studium an der hiesigen Universität absolviert
Dabei war es nur ein einziges Jahr, das Joseph von Eichendorff (1788-1857) in Halle verbrachte. Womöglich hätte der angehende Jurist sein ganzes Studium an der hiesigen Universität absolviert, aber es kam ihm dabei ein anderer, damals bereits großer Mann von allerdings nicht allzu großer Statur in die Quere: Kaiser Napoleon zog kurz nach der Schlacht von Jena und Auerstedt im Oktober 1806 in Halle ein und machte hier die Uni dicht.
Wohl auch sehr zum Verdruss Eichendorffs, denn der hatte hier Vorlesungen einiger der großen Geister seiner Zeit wie etwa von Friedrich Schleiermacher gehört und in Lauchstädt eine Aufführung von Goethes Weimarer Truppe erlebt.
Auf der ersten Reise nach Halle war er zu Fuß angereist
Doch so kehrte er nach nur einem Jahr aufs heimische Schloss Lubowitz nahe dem oberschlesischen Ratibor zurück, um bald darauf aber wieder gen Westen aufzubrechen und sein Studium in Heidelberg fortzusetzen. Auf der ersten Reise nach Halle war er - anders als bei der zweiten, die er mit der inzwischen erfundenen Eisenbahn auf deren Schienennetz absolvierte - übrigens zu Fuß angereist.
Wahrscheinlich nutzte Eichendorff dabei auch gelegentlich und gern die Chance, auf der langen Reise mal auf eine Kutsche aufzuspringen: Etwa so, wie er es dann in seiner weltberühmten Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ beschrieben hat. Der Taugenichts ist später übrigens zu einem der Vorbilder für Lebenskünstler, Hippies, Sinnsucher und Selbstverwirklicher geworden, die sich auf den Spuren des Eichendorffschen Romantik-Helden den eindringlichen Forderungen nach zweckmäßigem, zielstrebigem und verantwortlichem Handeln zu entziehen versuchten.
Als preußischer Beamter bekleidete er hohe Ämter
Teile der „großen Tour“ des Taugenichts hat Eichendorff übrigens auch selbst hinter sich gebracht - um danach sämtlichen Taugenichts-Ambitionen zu müßiger Weltbetrachtung zu entsagen. Als preußischer Beamter bekleidete er hohe Ämter in der Schulverwaltung in Danzig, in Königsberg und später in Ministerien in Berlin. Und auch seine offene Rechnung mit Napoleon bezüglich Halle hat er beglichen - als Lützower Jäger bei den Befreiungskriegen ab 1813.
Die Saale hat Eichendorff dann erst als Pensionär, 67-jährig, wiedergesehen - um der Stadt seiner Jugend und der „fröhlichen Saale“ sein eher wehmütiges Gedicht zu widmen. Dabei ist die Saale vielleicht nur die Kulisse seiner bewegenden Jugendreminiszenz und seines Betrauerns jeglicher Vergänglichkeit. Dass diese seine Verse dagegen fast schon als unvergänglich gelten, hat auch damit zu tun, dass sie die drastische Veränderung von Stadt und Landschaft in der Gründerzeit Mitte des 19. Jahrhunderts spiegeln: Und auch die Verluste bewusst machen. (mz)