Handwerk mit Tradition Handwerk mit Tradition: Gambe liebevoll restauriert
Domplatz/MZ. - Wolfram Ries freut sich auf den Januar und Februar: "Dann ist alles ein wenig ruhiger, und ich kann mal wieder eine Bratsche bauen." Schließlich brauche er für den Bau eines solchen Instruments rund 200 Arbeitsstunden. Wolfram Ries ist GeigenbaumeisDer Meister ist in einer musikalischen Familie aufgewachsen, die Mutter hatte eine Geige und sang im Chor. Er selbst hat als Kind Cello spielen gelernt. "Das war eine Grundvoraussetzung für meinen Beruf", sagt er, denn wer kein Streichinstrument spielen kann, könne kaum Geigenbauer werden.
Für Ries gab es nie einen anderen Berufswunsch. Und so ging der in Bayern geborene und in Norddeutschland groß gewordene Mann nach dem Abitur und dem Dienst bei der Bundeswehr nach Mittenwald im südlichen Bayern in die Geigenbauschule. Nach dreieinhalb Jahren legte er die Gesellenprüfung ab.
"Die Gesellenzeit ist ja auch eine Lehrzeit, deshalb ist es wichtig, dass man während dieser Zeit, möglichst viele Werkstätten kennen lernt", lautete seine Devise. Aus diesem Grunde ging er erst mal nach Minneapolis in den USA. "Außerdem gab es da mehr Geld für einen Geigenbauer-Gesellen. "Die Gesellenzeit dort war für mich die wertvollste." Und das habe seinen Grund darin, dass es in den USA nicht so ein starkes Handwerksreglement gebe wie in Deutschland. Man sei auch viel offener gegenüber Autodidakten und Quereinsteigern. "Und es gibt nicht so viel Geheimniskrämerei wie bei deutschen Geigenbaumeistern."
1993 ging der heute 34-Jährige nach Oslo. Von dort kam er nach Lübeck. Inzwischen hatte er seine Frau Inge kennen gelernt, die ebenfalls Geigenbauerin ist. "In Lübeck hatten wir das Glück, dass jeder eine Gesellenstelle bekam", erinnert er sich. Nachdem Ries seine Meisterprüfung abgelegt hatte, war er auf der Suche nach einer eigenen Werkstatt. "Wir schauten uns in vielen Städten um, schließlich kamen wir auf Halle, weil meine Frau aus Leipzig stammt", so Ries.
In Halle fühlen sich Wolfram Ries und seine Frau wohl. "Mich fasziniert, dass man hier die Entwicklung der Stadt von der grauen Diva zur wunderbaren Altstadt so hautnah miterleben kann", erzählt der Meister, der den Blick aus seinem Werkstattfenster auf den Dom genießt.
Ein großer Teil seiner Arbeit bestehe darin, Streichinstrumente wieder spielfähig zu machen. Das heißt, verzogene Stege zu richten, Griffbretter glatt zu hobeln oder Wirbel nachzupassen. Bei zwei großen Orchestern in Halle und der Musikinsel gleich nebenan sei da immer genügend Arbeit vorhanden. Außerdem restauriert Ries historische Streichinstrumente.
Gegenwärtig hat ihm ein Cellist des Leipziger Gewandhaus-Orchesters eine alte Gambe anvertraut, die mehrere Risse hatte. Das Instrument, das eigentlich aus dem Eisenacher Bach-Museum stammt, hat er in unzähligen Stunden wieder so hinbekommen, dass von den Rissen nichts mehr zu sehen ist. Nur etwa zwei Mal im Jahr kommt Ries dazu, neue Instrumente zu bauen.
Außerdem hängen in seiner Werkstatt eine Vielzahl von Geigen und Bratschen, die er angekauft und spielfertig gemacht hat und nun wieder zum Verkauf anbietet.
In seiner Freizeit besucht Ries gern Konzerte und spielt Cello im Kammerorchester Halle. Er träumt von viel Zeit und großen Radtouren, zu denen er gegenwärtig nicht kommt. Ries hat eine vierjährige Tochter und einen zweijährigen Sohn. Da reiche die Zeit lediglich zu kleineren Wochenend-Touren, zum Beispiel auf dem Saale-Radwanderweg.