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Händelfestspiele Händelfestspiele Halle: Beifallstürme für Arbace in Ulrichkirche

Von Joachim Lange 10.06.2019, 19:08
Beifallsstürme: „Arbace“-Aufführung in der Ulrichkirche Halle (Saale)
Beifallsstürme: „Arbace“-Aufführung in der Ulrichkirche Halle (Saale) Händelfestspiele

Halle (Saale) - Am Pfingstwochenende gab es sie wieder: die Festspiel-Überwältigung, das vokale Feuerwerk, die Stimmartistik und die Empfindsamkeit der Spitzencounter! Zuerst begeisterte Valer Sabadus zusammen mit der Akademie für Alte Musik Berlin das Publikum. Mit dem langjährigen HFO-Leiter Bernhard Forck als Konzertmeister an der Violine.

Eingerahmt von den Ariodante-Arien „Con l’ali di Constanza“ und dem atemberaubenden „Scherza Infia“ präsentierte Sabadus eine Arien-Auswahl, mit denen die Kastraten Giovanni Carestini und Felice Salimbeni zu ihrer Zeit faszinierten. Bei den mit perfekt kontrollierten Koloraturen und einer bis ins Engelsgleiche entschwebenden Stimme vorgetragenen Arienglanzstücken wetteiferten die Zeitgenossen Caldara, Jommelli, Gluck und Graun mit Händel. Dazwischen drei Sinfonien bei denen die Berliner Barockspezialisten allein die Händel-Halle füllten - ein perfekt gebautes Programm für ein begeistertes Publikum.

Barocke Sternstunde

Den Kastraten Carestini hatte Händel übrigens als Verstärkung engagiert, als ihm in London die Konkurrenz der Adelsoper zu schaffen machte. 1733 zog er alle Register und bearbeitete unter anderem Erfolgsopern des von ihm geschätzten Leonardo Vinci (1690-1730). Neben der „Semiramide“ (2015 in Bad Lauchstädt) auch „Arbace“ als Pasticcio-Oper nach Vincis „Artaserse“. Der machte bei seiner spektakulären Wiederentdeckung Furore, weil alle Rollen mit Countertenören der Spitzenklasse besetzt waren: Jarousski, Sabadus, Cencic, Fagioli und das gleichzeitig!

Der konzertante „Abrace“ (der Titel deutet auf eine Akzentverschiebung vom Königssohn Artaserse auf dessen verleumdeten und bedrängten Freund Arbace) sorgte beim Publikum in der Ulrichskirche nicht nur für leuchtende Augen und stehende Ovationen. Diese Sternstunde barocker Unterhaltung wird von Deutschlandradio Kultur am 29. Juni 2019 um 19.05 Uhr übertragen - eine gute Wahl! Wer den Text mitlas, verfolgte hinter dem hinreißenden Arienfeuerwerk einen historischen Politthriller in der Folge der Ermordung des historischen Perserkönigs Xerxes. Raffaella Milanesi (Sopran) und Benedetta Mazzucato (Alt) auf der einen Seite und die beiden Counter Raffaele Pé (mit dramatischer Verve) in der Titelpartie und Angelo Giordano (mit einschmeichelnd timbriertem Sopran) - beide aus der Kategorie: „wird man sich merken müssen“ - teilten sich die sechs Partien und brillierten allesamt!

Dazu das 1997 gegründete italienische Barockmusik-Ensemble „Auser Musici“ unter Leitung von Carlo Ipata! Das war höchstes Festspielniveau - kann gut sein, dass es sogar der musikalische Höhepunkt des aktuellen Jahrgangs war. Während sich hier jeder - bei Bedarf - „seine“ Inszenierung dazu denken (oder es lassen) konnte, lieferte der längst als Regisseur etablierte Sänger Kobie van Rensburg im Carl-Maria-von-Weber-Theater in Bernburg eine „Atalanta“ (1736) in einem von ihm perfektionierten Inszenierungsstil. Dabei agieren die Sänger (wie im Fernsehstudio) vor einer blauen Wand, während sie auf einer Leinwand in einem passenden Ambiente erscheinen. Arkadien wird hier zu einem luxuriösen Feriendomizil samt Partnervermittlung! So lässt sich aus der Szene und flott bis zu „Friede Freude Eierkuchen“ modernisierten Übertiteln ein unterhaltsames Ganzes machen.

Mit Suchtfaktor

Bei dem vergnüglichen Schmankerl, das Händel innerhalb von drei Wochen komponiert hat, geht es um ein Kennenlernen unter falschen Vorzeichen aber in der „richtigen“ Kombination. Also genau das Richtige für einen Nachmittagsausflug nach Bernburg. Musikalisch hinterließen das L’Orfeo Barockorchester unter Leitung von Michi Gaigg und bei den Solisten vor allem Sopranistin Marelize Gerber den stärksten Eindruck.

Wie eine passende Sängerbesetzung samt funkelndem Counterglanz (Halle-Entdeckung Samuel Mariño und Filippo Mineccia in Höchstform!) und der exzessive Einsatz von Videos zusammengeht, das war zum allerletzten Mal mit „Berenice“ in der Oper in Halle zu erleben. Eine Inszenierung mit jenem Suchtfaktor, den man jeder Händelproduktion wünscht. (mz)