Halles «Hofnarren» suchen die Musik
Halle/MZ. - Die war manchmal leise und verhalten, manchmal aber auch wie eine große Sinfonie für Orchester und Chor.
"Jeden Tag nahm er sich vor zu hören, woher die Musik käme, um dann zielstrebig auf den Punkt zuzumarschieren", so der Erzähler weiter. Es beginnt eine Reise, die ebenso seltsam ist wie zauberhaft ist. Fünf Tauben begleiten den kleinen Mann dabei. Nach Motiven der Erzählung "Die fünf weißen Tauben" von Thomas J. Hauck entstand unter der Regie von Larsen Sechert ein gleichnamiges Stück, das am Mittwoch in Anwesenheit des Autoren in der Theatrale Premiere hatte. Auf die Bühne gebracht wurde es von den "Hofnarren", einer Theatergruppe mit geistig behinderten Schauspielern aus dem Förderwohnheim "Akazienhof". Bereits seit neun Jahren agieren sie gemeinsam.
In die Rolle des "Er" schlüpfte Monika Koch. Sie führt die Zuschauer durch Straßen und den Park, über Wiesen und bis hin zu einer Kirche, die aus der Ferne mit ihrem Glockenklang lockt. "Man muss Töne zu Ende hören, das ist man Tönen schuldig", sagt der Erzähler, der wohl als einziger die Gedanken und Empfindungen des "Er" kennt. Auf der Suche nach seiner wunderbaren Musik wird "Er" schließlich fündig. Sie klingt ihm entgegen aus der Kirchenorgel, dem Birkenwald, dem Traumschloss und dem See.
Regisseur Reizvoller Kontrast zur Phantasiewelt des "Er" sind Menschen, die ihm in der Realität begegnen, die über, aber nie mit ihm reden. Das sind Parkbesucher, Gartenarbeiter und Kirchgänger, das ist eine unablässig schwatzende Rollstuhlfahrerin (Ursula Kaiser) oder ein geschäftstüchtiger Hosenverkäufer (Rainer Gottschlag). Die Tauben allein machen unmissverständlich klar, was sie von all denen halten, die offenbar so fest und routiniert im Leben stehen. Sie sch... drauf, und das gleich mehrmals.
Obwohl man nun annehmen könnte, der Stoff sei den Hofnarren auf den Leib geschrieben, war es doch reiner Zufall, dass beide zueinander fanden. Einer der Betreuer aus dem "Akazienhof" war bei einer Lesung auf der Leipziger Buchmesse auf die Erzählung von den fünf weißen Tauben und ihren Autoren Thomas J. Hauck aufmerksam geworden. Larsen Sechert, der seit 1998 mit den "Hofnarren" arbeitet, hat aus dem Buch Fragmente für seine Akteure herausgelöst. Gut ein dreiviertel Jahr habe man gebraucht, um das Stück gemeinsam zu erarbeiten, so der Regisseur. "Das meiste geschieht dabei über Improvisation. Was passt, wird festgehalten. Ich hole die Menschen dort ab, wo sie sind", beschreibt er den Reiz bei seiner Arbeit mit behinderten Schauspielern.
Eine Rolle mit einem fertigen Text vorzugeben, das funktioniere nicht. Deshalb auch sei jede Aufführung anders, aber immer authentisch. Etwa vier bis sieben Auftritte plane er für "Die fünf weißen Tauben." Der nächste sei schon fest im Spielplan des Leipziger Theatriums.