1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halle
  6. >
  7. Halle: Halle: Wiederbelebung im Takt von «Staying Alive»

Halle Halle: Wiederbelebung im Takt von «Staying Alive»

Von Romina Kempt 13.06.2011, 07:35
Die Medizinstudentinnen Anna-Luise (links) und Lisa-Sophie üben die Wiederbelebung eines Patienten in der Lernklinik des Universitätsklinikums Halle (Saale). (FOTO: DPA)
Die Medizinstudentinnen Anna-Luise (links) und Lisa-Sophie üben die Wiederbelebung eines Patienten in der Lernklinik des Universitätsklinikums Halle (Saale). (FOTO: DPA) dpa-Zentralbild

Halle (Saale)/dpa. - Medizinstudenten trainieren in der neuenLernklinik des Universitätsklinikums in Halle für den Ernstfall. EinPatient muss wiederbelebt werden. Jetzt heißt es handeln. Im Takt desLiedes «Staying Alive» der Popgruppe Bee Gees drückt ein angehenderMediziner mit beiden Händen auf den Brustkorb des Patienten. EineKommilitonin hält die Beatmungsmaske. Knapp 30 Sekunden späterbeendet der Tutor die Übung. «Ihr müsst auf den Rhythmus der Musikhören», sagt er. Der Patient ist nur eine Puppe. Im Ernstfall wäre eskritisch geworden. Ein Mal die Woche schlüpfen Studenten in derLernklinik in den Berufsalltag - lernen Menschen wiederzubeleben,Spritzen richtig zu setzen oder EKGs abzulesen.

Insgesamt sechs Übungsstationen befinden sich auf dem 500Quadratmeter großen Areal - jede mit einem anderen Schwerpunkt. ImUhrzeigersinn durchlaufen je zwei bis vier Studenten die Bereiche.Hinter Milchglasscheiben lernen sie, wie man eine Ampulle richtigöffnet, in welche Vene gestochen werden muss und in welcher Ecke derKrankenakte der Name des Patienten stehen muss. «So etwas lernt mannicht in Vorlesungen», erklärt der Leiter der Lernklinik, AndreasFichtner.

Seit Anfang Mai können die angehenden Ärzte den Seminarraum gegendas Patientenzimmer tauschen. «Die Studenten sind begeistert», sagtFichtner, selbst Notfallarzt und Anästhesist. Auch wenn die Methodenseltsam anmuten - er selbst habe während seiner Ausbildung dank«Staying Alive» den Rhythmus für die Wiederbelebung verinnerlicht.

Das Prinzip Fichtners ist klar. «Hier nimmt niemand einen Stift indie Hand». Alles ist wie im Beruf. Sogar mit echtem Blut wirdgearbeitet. Eine Tutorin macht es vor. Die Studenten tun es ihrgleich. Ein Schaumstoffbein liegt im Krankenbett. Die Studentinbegrüßt es wie einen echten Patienten und legt das Tablett mit Tupferund Spritzen neben «Herrn Meier». Gummihandschuhe überstreifen, Venetasten, Stelle säubern, spritzen, tupfen, fertig.

200 000 Euro standen Fichtner für seine neue Lernklinik zurVerfügung. «Wir haben nur einen Bruchteil davon aufgebraucht.» MitHilfe von abgelaufenen Medikamenten und Verbandsmaterialien, selbergebastelten Schaumstoffbeinen und -armen sowie mehrfach verwendetenund neu gereinigten Bestecken spart er viel Geld. «Wir denken jetztdarüber nach, unsere Station auf 25 Räume zu erweitern», erklärt er.

Zurzeit nutzen nur Studenten im achten Semester das Angebot.Künftig sollen auch für niedrigere und höhere Semester die Räumezugänglich sein. «Dann möchten wir auch mit Schauspielpatientenarbeiten», sagt Fichtner. Studenten sollen so lernen wie manschlechte Botschaften übermittelt oder Diagnosen richtig und schnellstellt. «Zum Beispiel könnte jemand einen Alkoholiker spielen, derrichtig nach Schnaps stinkt - das ist lebensecht.»

Vergleichbare Lernkliniken gibt es nur wenige in Deutschland.Neben Dresden sind Berlin und Münster die Vorreiter. Nur wer sich imPraxisalltag auskenne, könne ein guter Arzt werden, meint Fichtner.«Hier gehen wir keine Kompromisse ein.»