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Halle Halle: Stark und unverstärkt

Von Steffen Könau 22.01.2012, 16:55

Halle (Saale)/MZ. - Die beiden Gitarren sind fast noch jungfräulich vor dem ersten Ton. "Die haben wir uns extra für diesen Auftritt angeschafft", sagt Thomas Schoppe, den alle nur "Monster" nennen. Zwei-, dreimal haben sie dann auf den neuen Instrumenten zusammen geprobt. Dieser erste Auftritt ist so gesehen kein ganz normaler. Ganz im Gegenteil: Zum ersten Mal in den mehr als 50 Jahren seit ihrer Gründung tritt die DDR-Kultkapelle Renft unplugged auf, also nur mit akustischen Instrumenten.

Für die Premiere haben sich die vier Musiker das kleine Café "Brohmers" ausgesucht. Hier spielt die Gruppe um den gebürtigen Eisleber Schoppe schon seit ihrer Neuformierung nach dem tragischen Tod von Bandgründer Klaus Renft jeden Januar ein deftiges, kräftiges Rockkonzert. Ein fester Termin für die treuen Fans, die die Auftritte im "Brohmers" inzwischen zu einer Art Familientreffen machen und von weither anreisen, um ihre Idole zu sehen und alte Hits wie "Wer die Rose ehrt" und "Als ich wie ein Vogel war" zu hören.

Auch die nur 60 Tickets für den stromlosen Auftritt am Freitagabend waren in Windeseile ausverkauft - ebenso wie die für das reguläre Konzert am Samstag. Und die gekommen waren, bereuten es nicht. Angetrieben vom aus Magdeburg stammenden Gitarristen Gisbert "Pitti" Piatkowski, der früher bei den Klosterbrüdern und City spielte, befreien Sänger Schoppe, Bassist Marcus Schloussen und Trommler Detlef Kriese Klassiker wie "Apfeltraum", "Trug sie Jeans" und "Nach der Schlacht" von allen Rockklischees. Statt harten Riffs entlockt Piatkowski seiner Gitarre leise Melodiebögen, statt hinter einem Schlagzeug sitzt Kriese hinter ein paar Bongos.

Der Begeisterung tut das keinen Abbruch, zumal Renft etliche selten gespielte Raritäten aus ihrer großen Zeit Anfang bis Mitte der 70er Jahre aufführen. "Flüsse und Tränen" etwa, aber auch die nie auf einer offiziellen Platte erschienene „Rockballade vom kleinen Otto“. Die alten Stücke klingen wie generalüberholt, blues-lastig und manches verrät in der neuen Version, wie komplex die so einfach klingenden Kompositionen eigentlich sind.

Nicht natürlich die Songs, bei denen das Publikum schließlich die Stühle beiseiteschiebt: "Gänselies-chen" und "Wandersmann" singt der ganze Saal mit, energisch wird nach zwei Stunden nach Zugaben gerufen. Thomas Schoppe entschuldigt sich. "Leider haben wir nichts mehr geübt." Das letzte Stück "Fahnenlied", vor 35 Jahren Anlass für die DDR-Führung, die Band zu verbieten, wird trotzdem gespielt. "Machen wir eben eine öffentliche Probe", lacht Schoppe.