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Harald Bartl Halle (Saale): Pfarrer Harald Bartl geht in den Ruhestand

Von Michael Falgowski 28.11.2016, 10:43
Pfarrer Harald Bartl verlässt die Marktkirchengemeinde Halle (Saale) nach 30 Jahren.
Pfarrer Harald Bartl verlässt die Marktkirchengemeinde Halle (Saale) nach 30 Jahren. Günter Bauer

Halle (Saale) - Heiligabend hat Harald Bartl Tickets für die Alhambra, in Granada, Spanien. Nach 30 Jahren wird Bartl Weihnachten nicht in Halle, nicht in der Marktkirche Dienst tun: Am Sonntag verabschiedete die größte Kirchgemeinde der Stadt ihren langjährigen Hirten in den Ruhestand - Altersteilzeit, passiver Teil.

Mit Bartl quittiert sicher Halles bekanntester Pfarrer den Kirchendienst. Das ist er, allein schon wegen der herausragenden stadt- und kunsthistorischen Bedeutung der Marktkirche. Und auch, weil der Bartl seit zwölf Jahren im Stadtrat sitzt, dessen Vorsitzender er zehn Jahre lang war.

Pfarrer in Halle (Saale) taufte in 30 Jahren 293 Menschen

Wie viele Gottesdienste er gehalten hat in drei Jahrzehnten? Niemand hat das gezählt. Anderes schon: 293 Taufen, 72 Trauungen, 194 Konfirmationen und 304 Beerdigungen, so diese Bilanz. Doch nichts sagt das über den Menschen Harald Bartl aus. Oder über die Lücke, die er in der Gemeindearbeit hinterlässt.

Nach seinem letzten Gottesdienst im Amt als Pfarrer an der Marktkirche Unser Lieben Frauen übernahmen das zum Teil einige Weggefährten Bartls, die kurz Grußworte sprachen. Gottfried Koehn etwa, langjähriger Gemeindekirchenrats-Vorsitzender. Oder Professor Harald Wagner etwa, mit dem Harald Bartl am Theologischen Seminar in Leipzig in den 1980er Jahren studiert hat. Beide hatten da einen Bruch der Biografie hinter sich.

Hallescher Marktkirchenpfarrer früher mal katholisch

Wagner war Zehnkämpfer, DDR-Nationalkader und wegen Schmuggels von Büchern verhaftet worden. Harald Bartl, 1954 geboren in Köthen und ursprünglich übrigens katholisch, wiederum hatte seine Arbeit als Physiker im Halbleiterwerk Frankfurt/Oder aufgegeben.

„Ich habe mitgeholfen, den Megachip zu entwickeln. Aber irgendwann entdeckte ich, dass es das nicht gewesen sein kann: Ein Leben in der Neubauwohnung am Stadtrand von Frankfurt“, sagt er heute. Eine Zäsur folgte, als Kellner hat der Laborphsyiker auf Hiddensee gearbeitet, ehe er noch einmal Theologie studierte.

Seit 1981 wohnte Bartl in Halle, 1986 wurde er Vikar an die Marktkirchengemeinde. 1988 ordiniert, hatte er zunächst je ein halbe Stelle in der Gemeinde und eine Assistentenstelle am Seminar in Leipzig inne. Von diesen Jahren wird am Sonntag Hartmut Scheurich berichten, Bartls Vorgänger im Amt als Marktpfarrer.

Marktkirche in Halle (Saale) war Schutzraum der Opposition

Es waren die Jahre der sterbenden DDR, in denen auch die Marktkirche zunehmend zum Schutzraum für eine kleine, aber am Ende wachsende Opposition wurde. „In den 1980er Jahren liefen viele Gruppen bei uns auf, wie zunächst die Umweltgruppe, aber auch Frauen für den Frieden, Ärzte gegen Atomkrieg. Auch die sogenannte politischen Nachtgebete fanden statt“, sagt Bartl. Nur in zehn Kirchen Halles war das möglich.

„Die Marktkirche war immer eine offene Kirche für die Oppositionsbewegung.“ Das war nicht unumstritten in der Gemeinde selbst, denn etwa die Ausreisewilligen, die in immer größerer Zahl, am Ende Hunderte, sonnabends zum Wochenschlussgebet kamen, hatten mit Christentum meist gar nichts zu tun.

Harald Bartl stellte sich 1989 in Halle (Saale) gegen Polizei

Nicht zuletzt war der heute 62-Jährige einer jener halleschen Pfarrer, die den Herbst 89 erlebt und mitgeprägt haben. Am 9. Oktober etwa. „Schweigen für Hierbleiben“, stand auf dem Transparent, das unter dem Luther-Relief enthüllt wurde. Nur kurz war es zu sehen. Die Marktkirche mit Hunderten Besuchern wurde abgeriegelt. „Pfarrer der halleschen Kirchen, 30 Schwarzröcke, haben versucht, sich den Polizisten entgegenzustellen. In der Kirche selbst war ein Aufstehen der Menschen zu spüren - Nacheinander trat jemand nach vorne, zündete ein Kerze an und redete über Missstände. Für mich war das eine eindrückliche religiöse Erfahrung.“

Wenig später veränderte sich das Land. Und die neue Zeit brachte neue Aufgaben für die Gemeinde und für Bartl. Für Millionen wurde das Äußere der Kirche und der Pfarrhäuser hergerichtet, 40 Mietwohnungen und drei Kindergärten, mussten verwaltet und saniert werden. Wilde Geschichten trugen sich zu. „Die Commerzbank, die schnell in die Stadt wollte, hat der Gemeinde das Rückgaberecht für das Eckhaus am Markt abgekauft - für drei Millionen D-Mark. Dabei war gar nicht klar, ob wir das Haus überhaupt zurückbekommen würden.“

Keinen Draht zu Halles Bürgermeister Bernd Wiegand

Seit 2004 sitzt Bartl als Parteiloser für die CDU im Stadtrat. „Ich habe immer die Vermittlung versucht, den Ausgleich zwischen Verwaltung und Stadtrat. Nur am Ende, mit Oberbürgermeister Bernd Wiegand ist mir des nicht mehr gelungen“, sagt er heute.

Harald Bartl bleibt im Stadtrat Halle (Saale)

Nicht nur im Stadtrat habe er stets immer eine Mittlerposition eingenommen. Das kann man für eine große Begabung von mir halten, das kann man auch als Schwäche auslegen.“ Sein Job als Stadtrat geht weiter. Und sonst? Die Bürgerstiftung hat schon wegen einer Mitarbeit angefragt.

Bartl kann sich auch vorstellen, etwas zu schreiben, auch ehrenamtlich in der Gemeinde tätig zu sein. „Zunächst will ich aber ein halbes Jahr Abstand gewinnen. Ab Sommer bin ich dann wieder ansprechbar!“

Bartl in den 1980 Jahren
Bartl in den 1980 Jahren
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