Halle Halle: Quälend langsames Internet
Halle (Saale)/MZ. - Zwischen Steinzeit und Moderne liegen in Halle nur wenige Meter - in der fünften Vereinsstraße zum Beispiel. Christa Konopka findet in ihrem Briefkasten jeden Tag die neuesten Angebote für schnelles Internet. Und jeden Tag ärgert sich die Rentnerin, dass sie diese so genannten DSL-Angebote nicht nutzen kann. Dafür ist ihr Telefonanschluss nicht ausgelegt. Der lässt nur quälend langsame ISDN-Geschwindigkeit zu. Sich mühsam bis zum Postfach durchklicken, eine E-Mail schreiben? Das hat Christa Konopka längst wieder aufgegeben. "Dauert mir alles viel zu lange."
Die Moderne liegt auf der Straßenseite gegenüber: Dort öffnen sich Internet-Seiten im Handumdrehen. In der Pizzeria Pinocchio zum Beispiel. Deren Chef Dennis Zapp setzt schon lange aufs schnelle Internet. Auftragseingang über die eigene Internetseite: Dann heißt es kneten, belegen, backen und ausliefern. "Für unsere Arbeit ist ein schneller Internetzugang hilfreich."
Die einstige Lehrerin Christa Konopka ist nicht allein mit ihrem Problem. Zwar verfügen laut Stadt theoretisch alle Haushalte über einen Internetzugang, viele warten jedoch auch zehn Jahre nach dem DSL-Boom in Deutschland darauf, dass sie ihr altes "Schmalspur"-Internet durch die sogenannten Breitbandanschlüsse ersetzen können.
Schulen ohne schnelles Netz
Neben Seeben, Reideburg und Bruckdorf warten die Leute auch in Neustadt, Kröllwitz und teilweise im Paulusviertel auf ein schnelles Netz. Das zeigt die "Breitbandatlas" genannte Bestandsaufnahme der Bundesregierung. Selbst Schulen wie das Georg-Cantor-Gymnasium und die Gesamtschule Wilhelm von Humboldt können noch immer nicht auf eine Breitbandverbindung zurückgreifen. Insgesamt sind nach Angaben der Stadt nur ein Viertel aller Schulen mit dem schnellen Netz verbunden.
Die Verwaltung kennt seit Jahren diese Versorgungsprobleme. Nicht zuletzt deshalb, weil Grüne, CDU und Linke im Stadtrat das Thema immer wieder auf die Tagesordnung gehoben haben. Ende 2010 startete das Rathaus deshalb eine Umfrage unter Hallensern. Das vernichtende Ergebnis: zu langsam, zu teuer, zu störanfällig. Nur etwa zehn Prozent waren zufrieden mit ihrem Internetanschluss. Viele wünschten sich schon damals einen deutlich schnelleren Zugang.
Obwohl es anschließend eine Breitbandkonferenz mit der Landesregierung und Telekommunikationsfirmen gab, hat sich nach Ansicht der Grünen im Stadtrat nicht viel getan. "Es existiert nicht mal ein Protokoll dieser Sitzung", kritisiert Oliver Paulsen, Grünen-Fraktionschef und Internetexperte. Beispiel: Ein Modellprojekt für das Paulusviertel, zu dem Fördermittel beantragt werden sollten, wurde nie umgesetzt. Eine Anfrage dazu blieb vom Rathaus unbeantwortet.
Weil es keine gesetzliche Verpflichtung zum Ausbau der entsprechenden Infrastruktur gibt, versteht sich die Stadt nur als Vermittler und setzt auf den freien Markt. Das Problem ist aber: Anbieter wie die Telekom werden die Lücken im kabelgebundenen Breitbandnetz nicht alleine schließen. Sie setzen vielmehr auch auf den Ausbau des drahtlosen Netzes durch die Installation von LTE-Funkmasten in der Stadt.
Eine Alternative zum kabelgebundenen Internet sei diese Funktechnik allerdings nicht. "Die Netze sind aufgrund der Nachfrage teilweise völlig überlastet", so Paulsen. Daneben fehlen laut dem Fraktionschef große Anbieter wie Kabel Deutschland, die in Magdeburg oder Leipzig Zugänge über das TV-Kabel legen können. Allein die Wohnungsgesellschaften GWG und HWG bieten das in Halle an.
Dabei steht die Verwaltung vor den gleichen Hürden bei der Breitbandversorgung wie andere große Städte. Zwar verlegte die Telekom Anfang der 1990er Jahre Glasfaserleitungen. Die waren jedoch nicht mit der entsprechenden Technik ausgerüstet. Während des DSL-Booms konzentrierten sich die Anbieter vor allem auf den Ausbau der Straßen, in denen sich bereits Kupferleitungen befanden. "Damit ist die Versorgung in Halle willkürlich", so der Grünen-Politiker.
Abhilfe könnten Bund und Land schaffen, die mit Förderprogrammen unlängst Anreize zum Netzausbau gesetzt haben. Nachdem im ländlichen Bereich fast alle Leute Zugriff auf das schnelle Netz haben, können jetzt auch die Städte von den Fördertöpfen profitieren. Genutzt hat das zum Beispiel Magdeburg. Die Stadt hat mit Fördermitteln in mehreren Ortsteilen Leitungen verlegen lassen.
Kein Geld für Engagement
Stadtgebiete in Halle seien ebenfalls förderfähig, hieß es vom städtischen Presseamt. Allerdings müsse bei der Entscheidung, sich im Bereich der Breitbandversorgung zu engagieren, berücksichtigt werden, dass Eigenmittel aufgebracht werden müssten. "Es handelt sich um eine freiwillige Ausgabe. Die finanziellen Ressourcen der Stadt sind begrenzt", so Ria Steppan.
Eine Möglichkeit besteht darin, die Stadtwerke in den Ausbau der Infrastruktur einzubeziehen, um die Glasfaseranschlüsse anschließend zu vermieten. Das haben die Grünen schon vor einiger Zeit ins Gespräch gebracht. Während Stadt und Stadtwerke noch prüfen, ob sich die Investitionen rechnen, sehen die Grünen eine neue Einnahmequelle.