Halle Halle: Oma statt Erzieherin
Halle (Saale)/MZ. - Wer derzeit für sein Kind in Halle einen Platz im Kindergarten oder Hort sucht, hat ein Problem: Viele Einrichtungen nehmen keine neuen Kinder auf, weil es nicht genug Betreuungspersonal gibt. Deswegen können eigentlich freie Kita-Plätze nicht vergeben werden. Nach Angaben der Stadtverwaltung seien demnach von den 10 169 Plätzen in Kindergärten der Stadt 268 nicht belegt, in Horten sind es rund 500, weil Erzieher-Stellen unbesetzt sind. Zu wenig geeignetes Personal werde ausgebildet und viele junge Fachkräfte würden aus Halle weggehen, heißt es weiter.
Was das konkret bedeutet, davon kann Janine Springer ein Lied singen. Die 31-Jährige ist alleinerziehende Mutter von drei Kindern im Alter von zwei, sechs und acht Jahren. Sie hat händerringend nach Betreuungsplätzen für sie gesucht - vergeblich. "Ich habe kurzfristig ein Angebot zur Umschulung erhalten und wollte daher schnell einen Krippenplatz und zwei Hortplätze für die Kinder bekommen. Das war aber nicht möglich", sagt sie.
Beim Eigenbetrieb Kindertagesstätten der Stadt habe man sich zwar redlich bemüht, aber keinen freien Platz finden können. Selbst Anfragen bei freien Trägern hätten nichts eingebracht. "Mir wurde gesagt, dass ich einen Kindergartenplatz für meine jüngste Tochter frühestens im April 2014 bekommen kann. Da ist es natürlich schon zu spät", sagt Janine Springer.
Die Stadtverwaltung sieht die Ursache vor allem bei den freien Trägern, die zahlreiche der 145 Einrichtungen in Halle betreiben. "Der Personalmangel führt dazu, dass die Träger ihre vorhandenen Kita-Plätze nicht vollständig belegen können und für Außenstehende fälschlicherweise der Eindruck entstehen kann, es gäbe zu wenig davon", heißt es.
Tatsächlich gibt es in den meisten Kitas in der Saalestadt keine freien Plätze mehr. "Beim Personal sieht es bei uns noch gut aus, aber es wird zunehmend schwieriger, Mitarbeiter zu finden", sagt Elke Schwabe, Personalleiterin der SVK Kita gGmbH, die derzeit 14 Einrichtungen in Halle betreibt. Im Durchschnitt werden 1 900 Kinder dort betreut, die Einrichtungen seien zu 100 Prozent ausgelastet. Ähnliches sagt Christine Flögel, Geschäftsführerin des Vereins zu Förderung der Waldorfpädagogik, "Wir sind derzeit in unseren Einrichtungen voll besetzt. Sollte jetzt ein Erzieher krank werden, herrscht gleich Notstand", sagt sie.
Sowohl Christine Flögel als auch Elke Schwabe rechnen damit, dass sich die Personalprobleme künftig noch verschärfen. "Noch können wir unseren Bedarf abdecken. Wir greifen auch schon auf Bewerber zurück, die keine Erzieher-Ausbildung haben, sondern auch solche, die etwa Sozialhelfer sind", sagt Flögel.
Bei der dreifachen Mutter Janine Springer muss erstmal die Familie aushelfen. "Meine Großmutter kommt jeden Tag aus Gräfenhainichen mit dem Zug und fährt dann wieder zurück. Ein Dauerzustand ist das natürlich nicht", sagt die 31-Jährige, die sogar im Jugendhilfeausschuss des Stadtrates auf ihre Probleme aufmerksam machte. Seitens des Jugendamtes werde ihr Hilfe angeboten, ließ die Stadtverwaltung daraufhin verlauten. Bereits jetzt ist klar: Die Situation wird sich im kommenden Jahr weiter verschärfen. Ab August 2013 haben nämlich alle Eltern mit Kindern unter drei Jahren einen gesetzlich verankerten Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz. Die MZ fragte die Stadt nach entsprechenden Konzepten dafür. Eine Antwort auf diese Frage gab es aber nicht.