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Halle Halle: Nagelprobe in drei Schichten

Von MARTINA SPRINGER 12.10.2010, 18:14

Halle (Saale)/MZ. - Hartmut Richter ist schon am Vormittag gekommen. Er will schauen, wie es seiner Frau geht. Tag für Tag tut er das. All seine Kraft nimmt der 72 Jahre alte Hallenser dafür zusammen - seit jenem verhängnisvollen Tag im August, als Barbara Richter zusammenbrach. Diagnose: Nervenschädigung durch Herpesviren. Betreut wird die 70-Jährige im Bergmannstrost, in der Frührehabilitation des Neuro-Zentrums. Richter weiß: Hier wird für seine Frau alles getan, von Ärzten, Schwestern und Pflegern sowie - Azubis.

Letztere sind zwar immer motiviert - in den vergangenen zwei Wochen waren sie das jedoch besonders. Denn die Station war fest in der Hand von 14 jungen Frauen und Männern. Im dritten Lehrjahr sind die angehenden Gesundheits- und Krankenpfleger und stolz darauf, für einfach alles zuständig zu sein. Vom Dienstplan über sämtliche pflegerischen Aufgaben bis hin zur exakten Dokumentation der Pflege und Betreuung.

"Motiv(st)ation" heißt dieses spezielle Ausbildungsprojekt an den Berufsgenossenschaftlichen Kliniken, das nun die fünfte Auflage erlebt. In diesem Jahr gab es ein Novum: Die Stationen haben sich bei den Azubis beworben. "Das ist auch ein großer Vertrauensbeweis", sagt die stellvertretende

Pflegedirektorin Grit Kunzmann, die den Lehrlingen bestätigt, durch die Aktion sehr selbstständig geworden zu sein. Dr. Kai Wohlfahrt, Chefarzt und Direktor der Kliniken für Neurologie und Frührehabilitation, meint: "Das ist eine super Berufsvorbereitung."

Die jungen Leute sehen das nicht anders. "Zum ersten Mal sozusagen von der Leine gelassen zu sein, ist eine gute Übung", schätzt Moritz Weise ein. Albert Narwutsch hat "gelernt, mit Stresssituationen umzugehen und jegliche Aufgaben und Probleme zu meistern". Natürlich seien immer Fachschwestern als Ansprechpartner da, aber man trage schon eine große Portion Verantwortung.

Viel Zeit zum Erzählen haben die Azubis freilich nicht, schließlich gibt es einen straffen - ebenfalls selbst erarbeiteten - Dienstplan. Der bedeutet zum Beispiel für Moritz Weise im Augenblick, Manuel Dietrich unter die Arme zu greifen und zum Tisch zu führen, auf dem das Mittagessen steht. Der 19-jährige, der seit einem Unfall Anfang des Monats in der Frührehabilitation des Bergmannstrosts betreut wird, findet es gut, von so vielen jungen Leuten umgeben zu sein. "Mit ihnen kann ich mich auch gut unterhalten, weil wir ähnliche Interessen haben."

Am Nachbartisch sitzt die angehende Krankenschwester Nele Hollo mit drei älteren Patientinnen. Sie achtet darauf, dass sie essen und wie sie essen. "Wenn es nötig ist, helfe ich. Aber wir versuchen, die Patienten so viel wie möglich allein machen zu lassen." Genau das ist ein Spezifikum der Station, auf der unter anderem Patienten mit Hirnverletzungen, Blutungen, Schlaganfällen oder Tumoren behandelt werden: die frühe körperliche und geistige Rehabilitation. Hier werde, so erklärt Jan Richter vom Bereich Marketing / Öffentlichkeitsarbeit, "eine aktivierende, therapeutische Pflege" geleistet, die direkt zum Heilungsprozess beitragen soll.

Juliane Kriese hält sich derweil mit einigen ihrer Azubi-Kollegen im Schwesternzimmer auf. Am Computer dokumentiert sie akribisch, was sie gerade getan hat bei einer Patientin: das Trinken und die Ausscheidung danach beobachtet, eine Wunde gesäubert, Klammern entfernt. "Das muss weiter kontrolliert werden", schreibt sie noch dazu.

Die Zeiger der Uhr rücken immer weiter vor. Zeit für die Übergabe. Über jeden einzelnen Patienten wird gesprochen, bevor die Azubis der Frühschicht sich auf den Nachhauseweg machen und die der Spätschicht ihren Dienst antreten. Die Nachtschicht wird selbstverständlich ebenfalls besetzt.