Halle Halle: Leder-Designerin erobert Europa
HALLE/MZ. - Mit einem Taschenverkauf auf der Straße gleich nach der Wende fing alles an. Heute ist Simone Tholl-Melzer in ganz Europa eine gefragte Designerin jener Lederwaren, die für Frauen, aber für auch Männer, einfach unentbehrliche Accessoires sind. Grund genug, das 20-jährige Bestehen Samstag mit einem kleinen Fest zufeiern. Statt Blumen und Geschenke mitzubringen, hat die Hallenserin ihre Gäste um Spenden für den Verein "Wir helfen" (Kästchen rechts) gebeten; dazu kommen für jede verkaufte, extra kreierte Jubiläums-Tasche nochmal 20 Euro.
Das Schaufenster ihres Ladens am oberen Boulevard hat Simone Tholl-Melzer mit Fotos dekoriert, die die Stationen ihres Werdegangs widerspiegeln. Das erste Bild zeigt sie in einem heruntergekommenen Hinterhaus in der Großen Steinstraße, in dem sie ihre "Leder-Galerie" eröffnet hatte. Das war nicht geplant, sondern ein spontaner Entschluss.
Denn der frisch gebackenen Ingenieurin für Lederverarbeitungstechnik, die in Weißenfels studiert hatte, war kurz zuvor von Carl Zeiss Jena der Absolventenvertrag gekündigt worden. Dort sollte sie Foto-Zubehör aus Leder gestalten. Das war nun nicht gerade der kreativste Job, erinnert sie sich: "Aber für DDR-Verhältnisse gut bezahlt."
Die 22-Jährige nutzte die Gunst der Stunde, sah sich im Westen um und eröffnete am Samstag vor 20 Jahren, am 11. September 1990, ihren Laden. Da der aber viel zu versteckt lag, stellte sie sich kurzerhand an den Durchgang direkt auf die Straße. "Und die Leute haben für die neue D-Mark meine Taschen gekauft", so die Designerin, die die Ware damals noch nicht selbst herstellte, aber schon von eigenen Kreationen träumte.
Den Traum erfüllte sie sich als freie Designerin 1995. Ihre ersten Kollektionen - für die Händel-Festspiele Halle und die Frauenkirche in Dresden -, kamen auf Anhieb gut an, was ihr Türen zu Modefirmen wie Betty Barclay öffnete. 1999 wagte sie sich an eine eigene Taschenmarke mit dem Namen "Gabrielle Simonet". Die musste sie allerdings erst auf vielen Messen präsentieren und unzählige "Klinken putzen", bis die Modewelt in Deutschland und Europa begriffen hatte - Halle gibt den Ton mit an, wenn es um die aktuelle Taschenmode geht.
Mittlerweile hatte sie ihren Laden auf dem Boulevard eröffnet, eine Werkstatt gleich um die Ecke am Hansering kam hinzu. Dort verwandelt sie edles Leder, zum Beispiel aus Bologna, mit allerlei Maschinen zum Stanzen, Prägen und Nähen in Muster. Ideen, so erzählt die 42-Jährige, bringe sie gerne abends, am liebsten nach einem Krimi, zu Papier. Tagsüber sei dafür kaum Zeit, schon wegen ihrer drei Jahre alte Tochter nicht. Beruf und Familie sind für die Unternehmerin vor allem Dank der Kita und Großmütter gut unter einen Hut zu bringen.
Großen Anteil am Erfolg schreibt sie zudem Nadine Kamrath zu, die 1995 ihr erster Lehrling war und sich nun als "guter Geist" unter anderem um die Buchhaltung und den Einkauf kümmert.
Wer so erfolgreich ist wie Simone Tholl-Melzer heimst auch Preise ein wie für die Rucksack-Tasche "Nizza 22". Für zwei Handtaschen gab es sogar den Design-Award "Best in Basic", die höchste Auszeichnung, die die Branche vergeben kann. Den Erfolg führt sie nicht zuletzt auf ihre gute Ausbildung zurück. Nur ganz wenige Designer könnten Muster selbst nähen. In all den Jahren ist sie ihrem Stil treu geblieben - einer schlichten, klassischen Eleganz. Das will sie auch in den nächsten 20 Jahren so halten - und zwar in Halle.