Halle Halle: Klage gegen Werbefeldzug
HALLE/MZ. - Das Poster ist mitten auf die Scheibe im Hausflur geleimt - es wirbt für eine Vermittlung von Umzugsdienstleistungen. Für Senioren. Die Fenster zu bekleben, das ist neu. Bisher lässt die Servicegesellschaft SGS GmbH des Unternehmers Ulrich Marseille seit Wochen nur die Wände in rund 50 Neustädter Hausfluren großflächig mit Werbung unter anderem für die SGS-Altenwohnanlagen, Apotheken und ein Kosmetikstudio bekleben. Neu ist auch: Nach eigener Aussage hat Marseille an 250 Türen leerer Wohnungen die Umzugs-Poster anbringen lassen.
Die Häuser selbst hat der Hamburger 2006 verkauft, die Flächen in den Fluren "an den Wänden, an den Türen, an den Fenstern", so heißt es im Vertrag, aber hat er noch bis 2016 für Werbezwecke gemietet. Nachdem es vier Jahre lang keinerlei Werbung gab, geraten die Bewohner der 2 750 Wohnungen nun immer mehr zwischen die Fronten eines bizarren Werbefeldzuges. Sie sind empört. "Der Anblick der Plakate ist abstoßend und frustrierend", sagt eine Mieterin. Immer wieder werden Poster beschädigt. Marseille hat deswegen Anzeige erstattet.
Am Freitag nun will die Eigentümerin der Häuser, die AssetCo. Halle GmbH & Co. KG, Klage wegen der massiven Werbung einreichen. "Die Plakatierung ist unzulässig", ist sich deren Anwalt Thiemo Loof sicher. "Wir gehen davon aus, dass das Ziel keineswegs die Erwirtschaftung von Gewinnen durch Werbung sein kann."
Hierfür sprächen seiner Meinung nach, neben dem völlig skurrilen Umfang, sowohl die Werbepartner, die viel zu klein seien, um Beträge zahlen zu können, die über den Druckkosten der Plakate lägen, als auch teilweise die Werbeinhalte. "Kein normales Unternehmen würde ernsthaft auf die Idee kommen, in Treppenhäusern von normalen Wohnhäusern für die Versorgung von Luftröhrenschnitten werben zu wollen."
Zudem sei im Mietvertrag die Rede von Werbung durch "Hinweisschilder, Tafeln und graphische Darstellungen". Eine Erlaubnis, Plakate an die Tapeten zu kleben, sei damit nicht geregelt.
Marseille sieht der Klage gelassen entgegen: "Vertrag ist Vertrag. Wofür zahle ich denn bitte 295 000 Euro Miete jedes Jahr? Und natürlich ist so etwas nicht vom ersten Tag an profitabel. Derzeit suchen wir aber weitere Werbekunden", sagte er am Donnerstag. Außerdem seien Plakate natürlich eine "graphische Darstellung" wie im Vertrag festgeschrieben.
Doch warum diese großflächige Werbung? Anwalt Loof vermutet, dass die Plakatierung "nur erfolgt, um im Rahmen von Vertragsverhandlungen Druck auszuüben". Soll heißen: Marseille möchte aus dem Vertrag heraus.
Hintergrund: Im Jahr 2006 hatte die EWG Hansel-Wohnungs KG, vertreten durch Ulrich Marseille, die jetzt betroffenen Häuser verkauft. Am gleichen Tag hatte die EWG auch einen - allen Beteiligten bekannten - Mietvertrag über die Hausinnenwände mit der SGS GmbH, vertreten durch Ulrich Marseille, abgeschlossen. Durch diesen Vertrag mit dem Werberecht stieg der Verkaufspreis der Häuser um rund drei Millionen Euro, so der Anwalt. Für die Hausinnenflächen zahlt die SGS nun bis zum Jahr 2016 Miete.
Ein anderer Rechtsstreit läuft bereits zwischen dem Eigentümer und Marseille. Dabei geht es um die "Schwarzen Bretter". Die ließ der Eigentümer inzwischen von den Hausflurwänden abhängen. Nun stehen neue, stählerne Infotafeln draußen, vor den Hauseingängen.