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Halle Halle: Dirigentin erobert Männerbastion

Von DETLEF FÄRBER 21.04.2010, 20:28

HALLE/MZ. - Seit fünf Jahren haben wir eine Bundeskanzlerin - und an einer Bundespräsidentin hat zuletzt nicht viel gefehlt. Die Männerdomänen sind dramatisch im Schwinden, selbst Fußball spielen können die Frauen hierzulande schon besser - sagen böse Zungen. Und in der Kunst? Im Theater? Malerinnen, Regisseurinnen wohin man schaut. Ach ja, und Damen an dem Pult im Orchestergraben? Da muss man immer noch sehr, sehr lange suchen. "Nur Päpstin werden ist schwieriger", heißt es in Musikerkreisen.

Eine der ganz wenigen Frauen, die schon sehr bald dafür sorgen werden, dass die Männer nicht mehr so schwer an der Bürde des Taktstocks zu schleppen haben, ist Marie-Luise Häuser. Die gebürtige Frankfurterin, die in Detmold, Weimar und Leipzig studiert hat, ist ausgebildete Dirigentin - am Opernhaus aber zunächst vor allem noch als Korrepetitorin fest engagiert. Jetzt betreut sie erstmals von Anfang an ein Stück als musikalische Leiterin. Nimmt es da Wunder, dass das Wort Wunder gleich in dessen Stücktitel vorkommt?

"Wunderhorn" heißt die kleine feine Produktion, eine "Nachtoper", die ideal in den Rahmen der Residenz passt. Der szenische Liederzyklus des jungen Komponisten Anno Schreier bringt Teile der frühromantischen Textsammlung von Clemens Brentano und Achim von Arnim auf die Bühne - und zwar auf eine Bühne, die der Hausmusik und dem so genannten Papiertheater dieser Zeit nachempfunden ist. Gleiches gilt für die Kostüme, die aber - wie die Musik - die Brücke ins Heute schlagen. Und so darf sich das Publikum auf einen künstlerischen Flirt von Biedermeier und Gegenwart freuen.

Marie-Luise Häuser hat auf ihre Chance auch in Halle etwas warten müssen. Als Dirigentin konnte man sie freilich schon sehen und hören - etwa bei "Schwejk" oder "Der Graf Ory". Bei "Wunderhorn" dirigiert sie auch, und zwar vom Klavier aus. Das macht die Sache in einem Stück mit einer gar nicht so kleinen Besetzung allerdings schwieriger. Dass die attraktive junge Dirigentin die Sache lösen wird, daran besteht für ihre Kollegen kein Zweifel. Denn längst hat sie sich im hiesigen Musiktheater - ihrem schon dritten Engagement - jene aus Leistung erwachsende Achtung erworben, die für den Job am Pult unverzichtbar ist.

Sie habe sich aber auch schnell in die Herzen des Orchesters dirigiert, attestiert ihr Axel Köhler, Halles Operndirektor. Köhler würde übrigens "keinesfalls aus allen Wolken fallen", wenn er in ein paar Jahren hören würde, dass es Marie-Luise Häuser an einem der ganz großen Häuser bis ans Pult geschafft hat. "Wir hier trauen ihr künftig noch sehr viel zu", sagt er. Die so Gelobte dagegen hält den viel zitierten Ball lieber flach. Als Dirigentin will sie nicht das sein, was in anderen Bereichen einst Fräuleinwunder hieß. Sie setzt auf Qualität - und die wachse besonders in ihrem Metier langsam.

Dass Frauen gerade fürs Dirigieren wie geschaffen sein müssten, ist für Marie-Luise Häuser keine Frage. Auch hier passe ja der Begriff Multitasking, die vor allem Frauen zugeschriebene Fähigkeit, vieles gleichzeitig zu tun - also etwa auch zu herauszuhören. Und warum dürfen sie das am Orchesterpult so selten? Die junge Dirigentin zuckt mit den Schultern. "Naja", sagt sie: "Da geht es halt auch ein bisschen um Macht."

Die Premiere am Freitag ist ausverkauft. Für die nächsten Aufführungen am 29. April und 7. Mai, 20 Uhr, in der Neuen Residenz (Domplatz) gibt es noch Karten.