Halle Halle: Der Bahnhof ist nicht das Schönste an Halle
HALLE/MZ. - Das Schönste an Halle ist der Hauptbahnhof - den Spruch kennt man. Aber so ist er falsch! Das erklärte Ingeborg von Lips den rund 40 Zuhörern, die am Donnerstagabend für die Aktion "Halle liest - Hokuspokus" in den Eisenbahnwaggon auf Gleis 1 kamen.
Der Original-Satz stammt aus dem Roman "Die Memoiren des Peterhans von Binningen", den Curt Goetz als halbversteckte Autobiografie 1960 veröffentlichte. Im Zugabteil las Halles ehemaliger Stadtschreiber Ronald W. Gruner vor, was im Buch tatsächlich steht: "Das Schönste an Halle sei jedoch Halles Hauptbahnhof."
Und Germanistin von Lips erläuterte: "Goetz verwendet die Möglichkeitsform, weil der Satz nicht seiner Meinung entspricht." Der Originaltext gibt ihr Recht. Dort steht vor dem Verb "sei" ein Einschub: "nach der Überzeugung weitgereister Leute, sofern sie sich nicht genieren, diesen alten Witz anzubringen".
Zitat ist ein "uralter Witz"
"Dieses Zitat ist also ein uralter Witz", erklärt die Initiatorin. Von Lips weiß, der Autor mochte das Spiel mit der Sprache: Goetz habe nicht nur doppelbödig, sondern sogar mit "dreifachem Boden" geschrieben, sagt sie.
Das bei ihm formulierte Schönste der Saalestadt hat die Lesereihe beeinflusst: Wegen des berühmten Satzes finden alle Lesungen über Curt Goetz im Hauptbahnhof statt. Außerdem drehten sich um diesen Ort viele Erkenntnisse, die Ingeborg von Lips in den sechs Veranstaltungen von "Er-Goetzliches im Bahnhof" weitergeben wird.
Der Vorteil des "Verkehrsknotenpunkts" habe laut Goetz darin bestanden, "diese Stadt nach allen Himmelsrichtungen verlassen" zu können. Frau von Lips erläuterte, dass sich die verschiedenen Richtungen auf den Neubau des Bahnhofs bezogen, denn der alte - ein Kopfbahnhof und denkbar unbeliebt - stand nur bis 1856. Der neu gebaute Bahnhof war dagegen nach zwei Seiten offen, Abfahrten in mehr Richtungen wurden möglich.
Das Talent liegt in der Familie
Man kann im Bahnhof natürlich auch ankommen wie der Dichter anno 1890. Da war er gerade mal zwei Jahre alt und hieß noch Kurt Götz, sein Vater war eben in Binningen gestorben, so dass die Witwe Götz in ihre Heimatstadt Halle zurückkehrte. Hier arbeitete ihr Vater - der Opa des Kleinen - als Universitätstanzlehrer, sein Onkel Charles Rocco verfasste Gedichte und Romane. Bei dem Familienhintergrund ist für Ingeborg von Lips offenkundig, woher das Talent des Komödienautors stammt.
Seinen eher durchschnittlichen Namen peppte Kurt Götz etwas auf, als er Schauspieler wurde: zum schnittigen Curt Goetz. Diese und viele andere Anekdoten kennt Ingeborg von Lips und gibt sie gern weiter - das nächste Mal am 7. Juni.