Größte Grab-Auswahl Größte Grab-Auswahl: Monumentale Architektur trifft auf gesellschaftliche Umbrüche

Halle (Saale) - Vom Eingang an der Dessauer Straße führt der Weg entlang einer Pappelallee direkt zu einem kleinen Weiher. Auf der Wasseroberfläche spiegelt sich das monumentale Hauptgebäude des Gertraudenfriedhofs wider. Baudezernent René Rebenstorf hält inne und richtet den Blick auf die große Kuppelhalle und die Kolonnaden. „Die Architektur dieses Friedhofs ist wirklich ein Alleinstellungsmerkmal“, sagt der Beigeordnete. Ein Spaziergang über den 34 Hektar großen Friedhof offenbart, dass nicht nur die Architektur diesen Ort einzigartig macht.
Das Büro von Friedhofsverwalterin Heike Bunge befindet sich im südlichen Gebäudeteil. „Die Bestattungskultur hat sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt“, sagt Bunge. Der Trend gehe weg von individuellen Gräbern, die die Angehörigen aufwendig pflegen müssen. Vielen reiche es, den Verstorbenen eine Blume oder eine Kerze zu bringen, anstatt die Gräber zum Beispiel im Winter mit Tannenzweigen abzudecken. Deshalb entwickelt die Stadt gemeinsam mit der Friedhofsverwaltung neue Konzepte. Verwalterin Heike Bunge kennt die Anliegen der Betroffenen, Baudezernent René Rebenstorf behält die architektonische Gestaltung im Blick.
Gertraudenfriedhof Halle: Urnennischen in vier Schutzhäuschen
Entstanden ist die Idee, sogenannte Urnennischen in die vier Schutzhäuschen an der Friedhofsmauer zu bauen. „Das kann man sich wie eine Art Schließfach vorstellen“, sagt die Friedhofsverwalterin. Die Urnen werden wie in einem überirdischen Steinregal in abgetrennte Kammern gestellt und mit einer Deckplatte versiegelt. Der Name des Verstorbenen wird eingearbeitet. Laut der Stadtverwaltung soll mit dem Bau der Urnennischen im Oktober dieses Jahres begonnen werden.
Auf dem Gertraudenfriedhof zeigen sich aber auch noch andere gesellschaftliche Entwicklungen. Gemeinsam mit René Rebenstorf geht Heike Bunge zum hinteren Teil des Friedhofs. Dort ist ein separater Bereich für muslimische Gräber angelegt. Dem Glauben nach müssen die Toten auf einer Stelle zur Ruhe gebettet werden, wo noch niemand zuvor beerdigt wurde. Auf dem weitläufigen Areal des Gertraudenfriedhofs ist das möglich. Die Gräber sind schlicht gestaltet, nur auf einem stehen bunte Traktoren – ein Kindergrab.
Gertraudenfriedhof Halle: Drei Weltreligionen scheinen im Norden von Halle vereint zu sein
Folgt man dem äußeren Weg noch ein Stück weiter, offenbart sich ein Blick auf den angrenzenden jüdischen Friedhof, wo Besucher kleine Steine statt Blumen auf die Gräber legen.
Wilhelm Jost hat 1912 mit der Gestaltung des Gertraudenfriedhofs begonnen. Zwei Jahre später wurde ein französischer Soldat als erstes auf dem größten Friedhof in Halle beigesetzt. Jost gilt als Wegbereiter der Moderne. Er arbeitete bis zu seiner Pensionierung als Stadtbaurat für die hallesche Stadtverwaltung. 1944 wurde er auf dem Gertraudenfriedhof beigesetzt.
Heike Bunge erzählt, von einer Familie, die zum Teil auf dem jüdischen und zum Teil auf dem unweit entfernten Gertraudenfriedhof bestattet wurde. „So kann die Familie doch noch nah beieinander sein“, sagt die Friedhofsverwalterin.
Die drei Weltreligionen scheinen im Norden von Halle vereint zu sein. Aber auch für Menschen, die mit dem Tod in der Natur verschwinden möchten, gibt es mittlerweile eine Option. Auf einem Efeufeld und unter einem dichten Blätterdach gibt es die Möglichkeit, seine Urne ohne Namenshinweis in die Erde setzen zu lassen – ähnlich der Idee eines Waldfriedhofs. Blumengestecke können auf einen Baumstumpf abgelegt werden, ansonsten soll kein Grabschmuck auf dem Boden abgelegt werden. „Im Moment wird das Angebot noch nicht sehr oft genutzt“, sagt Heike Bunge. Der Spaziergang zeigt zumindest, was möglich ist. Und er lohnt selbst dann, wenn man keinem seiner Angehörigen einen Besuch abstattet. (mz)

